Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
schlechter Tag heute, was meinst du?«
    Ich schaute ihn an.
    »Gib Antwort«, forderte er mich auf. »Sag etwas.«
    »Was?«, fragte ich.
    »Irgendwas.«
    »Irgendwas.«
    Er runzelte die Stirn, und ich hätte gerne geknurrt, weil ich doch alles getan hatte, wie er es wollte. Nach einer Weile stand er auf und holte eine Flasche. Er goss etwas in seinen Becher und hielt mir die Flasche hin. »Willst du?«
    Ich zuckte zurück. Ein stechender Geruch drang in meine Nase.
    »Antworte«, mahnte er.
    »Nein. Nein, es ist schlechtes Wasser.«
    »Nicht ganz. Es ist schlechter Branntwein. Brombeerschnaps. Billiger Fusel. Ich habe das Zeug gehasst, aber du mochtest es immer.«
    Ich schnaubte, um den Geruch loszuwerden. »Wir haben das nie gemocht.«
    Er stellte Flasche und Becher auf den Tisch. Er stand auf, ging zum Fenster und stieß es erneut auf. »Geh jagen, habe ich gesagt!« Ich fühlte, wie Nachtauge erschrak und davonlief. Nachtauge fürchtete Rudelherz ebenso sehr wie ich. Einmal hatte ich Rudelherz angegriffen. Ich war lange krank gewesen, doch an dem Tag hatte ich mich besser gefühlt. Ich wollte hinausgehen, um zu jagen, und er wollte es nicht zulassen. Er stand vor der Tür, und ich sprang ihn an. Er schlug mich mit der Faust, und dann rang er mich nieder. Er ist nicht größer als ich; aber er ist brutaler und schlauer. Er kennt viele Griffe, um jemanden festzuhalten, und die meisten tun weh. Er hielt mich auf dem Boden fest. Ich lag so lange, lange vor ihm auf dem Rücken, während meine entblößte Kehle seinen Zähnen preisgegeben war. Jedes Mal, wenn ich mich bewegte, boxte er mich. Nachtauge hatte draußen geknurrt, sich aber nicht bis zur Tür gewagt und erst recht nicht versucht hereinzukommen. Als ich um Gnade winselte, schlug Rudelherz mich wieder. »Sei still!«, befahl er. Als ich verstummte, sagte er zu mir: »Du bist der Jüngere von uns beiden. Ich bin älter und weiß mehr. Ich kämpfe besser als du. Ich verstehe mich besser aufs Jagen. Ich stehe über dir. Du wirst alles tun, was ich will, dass du tust. Du wirst alles tun, was ich dir sage. Verstehst du das?«
    Ja, hatte ich ihm geantwortet. Ja, ja, das ist Rudelgesetz, ich verstehe, ich verstehe. Doch er hatte mich wieder geschlagen und mich auf den Boden gedrückt, so dass meine Kehle ihm schutzlos ausgeliefert war, bis ich ihm auf die richtige Art versicherte: »Ja, ich verstehe.«
    Als Rudelherz zum Tisch zurückkam, goss er Branntwein in meinen Becher und stellte ihn so vor mich hin, dass ich dem Geruch nicht ausweichen konnte. Ich schnaubte.
    »Versuch’s«, drängte er mich. »Nur einen Schluck. Du warst ganz wild darauf. Als Halbwüchsiger, dem es eigentlich streng verboten war, ohne mich ein Wirtshaus zu betreten, hast du diesen Schnaps heimlich in der Stadt getrunken und dann Minze gekaut und geglaubt, ich würde nicht merken, was los ist.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich würde nicht tun, was du mir verbietest zu tun. Ich habe verstanden.«
    Er machte dieses Geräusch, das sich anhört wie ein Mittelding zwischen Röcheln und Niesen. »Oh, früher pflegtest du oft genau das zu tun, was ich dir verboten hatte. Sehr oft.«
    Wieder schüttelte ich den Kopf. »Ich erinnere mich nicht daran.«
    »Noch nicht. Aber bald.« Er deutete erneut auf den Becher. »Komm schon. Probier’s. Nur einen kleinen Schluck. Vielleicht tut es dir gut.«
    Und weil er es so wollte, probierte ich. Die Flüssigkeit brannte mir in Mund und Nase, und ich konnte den Geschmack nicht loswerden. Ich verschüttete den Rest aus dem Becher.
    »Nun, daran hätte Philia bestimmt ihre helle Freude«, war alles, was er dazu sagte. Und dann hieß er mich, einen Lappen holen und aufwischen, was ich verschüttet hatte. Und anschließend musste ich das Geschirr in einer Wasserschüssel säubern und abtrocknen. Manchmal geschah es, dass ich Zuckungen bekam und hinfiel. Aus heiterem Himmel. Rudelherz versuchte dann, mich festzuhalten, damit ich nicht um mich schlug. Manchmal bewirkten die Zuckungen, dass ich einschlief. Wenn ich dann später aufwachte, hatte ich Schmerzen. Meine Brust tat weh, mein Rücken tat weh. Manchmal biss ich mir in die Zunge. Ich mochte diese Anfälle nicht. Sie erschreckten Nachtauge.
    Und manchmal, da war ein anderer bei Nachtauge und mir, ein dritter, der mit uns dachte. Er war kaum zu spüren, aber er war da. Ich wollte ihn nicht bei uns haben. Ich wollte niemanden bei uns haben, niemals wieder, wir wollten ganz für uns sein, nur Nachtauge und ich.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher