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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Autoren: Robin Hobb
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durch Arbeit gesühnt zu werden, bezahlt der Schuldige mit dem Leben. In den Sechs Provinzen muss niemand befürchten, versklavt zu werden. Ebenso wenig unterstützen unsere Gesetze den Gedanken, dass Zuwanderer Sklaven mitbringen und sie weiterhin als solche halten dürften. Aus diesem Grund wählen viele Sklaven aus Chalced, die auf die eine oder andere Weise ihre Freiheit gewonnen haben, die Sechs Provinzen als neues Zuhause.
    Sie bringen die vielfältigen Traditionen ihrer Heimatländer mit und ihren Sagenschatz. Eine Geschichte, die ich in Erinnerung behalten habe, handelt von einem Mädchen, das eine » Vecci « war, oder - wie wir sagen würden - mit der Alten Macht begabt. Sie hatte den Wunsch, ihr Elternhaus zu verlassen, um dem Mann zu folgen, den sie liebte und heiraten wollte. Ihre Eltern fanden ihn nicht würdig und verweigerten ihr die Erlaubnis. Als folgsame Tochter widersetzte sie sich nicht, aber sie war auch eine zu leidenschaftliche Frau, um sich von ihrer wahren Liebe einfach loszusagen. Sie legte sich auf ihr Bett und siechte vor Kummer dahin, bis sie starb. Ihre Eltern begruben sie in großer Trauer und voller Selbstvorwürfe, dass sie ihr nicht erlaubt hatten, der Stimme ihres Herzens zu folgen. Doch ohne die Ahnung der Eltern war ihre Tochter durch die Alte Macht mit einer Bärin verschwistert gewesen, und als das Mädchen starb, nahm die Bärin ihre Seele in Obhut, so dass sie nicht aus dieser Welt fliehen konnte. Drei Nächte nach dem Begräbnis des Mädchens grub die Bärin den Sarg aus und gab der Toten ihre Seele zurück. Durch ihre Auferstehung aus dem Grabe galt das Mädchen als neugeboren und aller früheren Verpflichtungen, auch des kindlichen Gehorsams, ledig. Also stieg sie aus ihrem zertrümmerten Sarg und ging fort, um ihren Liebsten zu suchen. Das Märchen hat jedoch ein trauriges Ende, denn nachdem sie eine Zeitlang eine Bärin gewesen war, vermochte sie nie wieder ganz menschlich zu werden, worauf ihr Liebster sich von ihr lossagte.
    Diese kleine Geschichte war der Hintergrund für Burrichs Entschluss, den Versuch zu wagen, mich aus Edels Verlies zu befreien, indem er mich vergiftete.
     
    Der Raum war zu warm. Und zu klein. Mein Hecheln brachte keine Kühlung mehr. Ich stand vom Tisch auf und ging zum Wasserfass in der Ecke, nahm den Deckel ab und trank voller Durst. Rudelherz hob den Kopf und verzog böse das Gesicht. Es war fast ein Zähnefletschen. »Nimm einen Becher, Fitz.«
    Wasser lief über mein Kinn. Ich starrte ihn unverwandt und dann lauernd an.
    »Wisch dir das Gesicht ab.« Rudelherz schaute wieder auf seine Hände. Er hatte Fett an den Fingern und rieb es in irgendwelche Lederriemen. Ich schnüffelte dem Geruch nach und leckte mir die Lippen.
    »Ich habe Hunger«, sagte ich zu ihm.
    »Setz dich hin und beende deine Arbeit. Dann werden wir essen.«
    Ich versuchte, mich zu erinnern, was das für eine Arbeit gewesen war. Er deutete mit der Hand zum Tisch, und es fiel mir wieder ein. Auch an meinem Platz lag ein Knäuel Lederriemen. Ich ging hin und setzte mich auf den harten Stuhl.
    »Ich habe jetzt Hunger«, erklärte ich ihm. Wieder sah er mich auf die Art an, die einem Zähnefletschen gleichkam, ohne dass er eine Miene verzog. Die Warnung stand in seinen Augen. Ich seufzte. Das Fett, das er benutzte, roch sehr gut. Ich schluckte, dann senkte ich den Blick. Lederriemen und Metallteile lagen vor mir auf der Tischplatte. Ich betrachtete sie eine Zeitlang. Nach einer Weile legte Rudelherz seine Arbeit beiseite und wischte sich an einem Tuch die Hände ab. Er trat neben mich. »Da«, sagte er und wies auf eine bestimmte Stelle. »Du warst dabei, das auszubessern.« Er blieb neben mir stehen, bis ich das Riemenzeug wieder aufhob. Ich bückte mich, um daran zu riechen, und er versetzte mir einen Schlag gegen die Schulter. »Lass das sein!«
    Meine Lippen zuckten, aber ich knurrte ihn nicht an. Knurren machte ihn sehr, sehr wütend. Ratlos drehte ich die Riemen hin und her, doch plötzlich war es, als ob meine Hände wüssten, was von ihnen erwartet wurde, noch bevor mein Verstand sich erinnerte. Ich schaute meinen Fingern zu, die mit dem Leder hantierten. Als der Schaden behoben war, hielt ich den Riemen hoch und spannte ihn, und das mit einem Ruck, um Rudelherz zu zeigen, dass er halten würde, auch wenn das Pferd den Kopf zurückwarf. »Aber da ist kein Pferd«, sprach ich den Gedanken aus, der von irgendwoher gekommen war. »Alle Pferde sind fort.«
    Bruder?
    Ich
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