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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
Autoren: Robin Hobb
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diesem wäre er die Saat künftigen Unheils, ein Schwert an seidenem Faden über des Königs Haupt. Selbst ein Stallmeister sollte das begreifen. Und wenn du es nicht begreifst, dein Herr wird es.«
    Edels Stimme hatte eine eisige Schärfe angenommen, bei der Burrich erbleichte, wie ich es bei ihm nicht für möglich gehalten hätte. Das machte mir Angst, ich zog die Decke über den Kopf und verkroch mich tiefer im Stroh. Hexe neben mir knurrte leise. Ich möchte glauben, dass Edel einen Schritt zurückwich, aber sicher bin ich nicht. Gleich danach gingen die Männer, und falls sie noch mehr gesprochen haben, finde ich keinen Widerhall davon in meinem Gedächtnis.
    Es muss zwei oder drei Wochen später gewesen sein, dass ich mich, an Burrichs Leibgurt geklammert, hinter ihm auf dem
Rücken eines Pferdes wiederfand, als wir in Prinz Veritas’ Tross das winterliche Dorf verließen und eine mir endlos erscheinende Reise hinunter in wärmere Regionen antraten. Bestimmt war irgendwann während dieser Tage Chivalric gekommen, um einen Blick auf seinen Bastardsohn zu werfen, und hatte daraufhin eine Entscheidung getroffen. Doch ich habe keine Erinnerung an eine Begegnung mit meinem Vater. Das einzige Bild von ihm, das ich in Gedanken vor meinem inneren Auge sehe, ist das auf seinem Porträt in der Halle von Bocksburg. Jahre später erfuhr ich, dass seine diplomatische Mission von Erfolg gekrönt gewesen war. Er handelte einen Vertrag und einen Frieden aus, der lange Bestand hatte, und erwarb sich den Respekt, sogar die Zuneigung der Chyurda.
    Tatsächlich war ich sein einziger Fehlschlag in jenem Jahr, aber dafür umso verhängnisvoller. Er traf vor uns in Bocksburg ein, wo er formell auf die Thronfolge verzichtete. Bei unserer Ankunft hatten er und Prinzessin Philia den Hof bereits verlassen, um künftig als Lord und Lady von Weidenhag zu leben. Ich bin in Weidenhag gewesen. Es ist ein freundliches, weites Tal zwischen sanft ansteigenden, gewellten Bergausläufern, durchschnitten von einem behäbig fließenden Strom. Der rechte Ort, um milden Wein wachsen zu lassen, goldenes Korn und rotwangige Kinder. Ein kleines Paradies, fern der Grenze, fern den Vorgängen bei Hofe, fern allem, was bisher Chivalrics Leben ausgemacht hatte - idyllisches Exil für einen Mann, der König hätte sein können, und zudem ein weichgepolsterter Ruhesitz für einen Krieger, den man als erfahrenen und gewieften Diplomaten ruhigstellen wollte.
    So kam ich nach Bocksburg, einziger Spross und Bastard eines Mannes, den ich nie kennenlernen sollte. Veritas wurde zum
neuen Kronprinzen ausgerufen, und auch Prinz Edel rückte in der Thronfolge einen Platz vor. Hätte mein Gastspiel auf dieser Welt nur darin bestanden, geboren und entdeckt zu werden, hätte ich dennoch dem Reich für alle Zeiten meinen Stempel aufgedrückt. Vater- und mutterlos wuchs ich an einem Hof auf, wo alle mich als jemanden betrachteten, der alles verändern würde. Und genauso war es.

KAPITEL 2
    DER NEUE
    E s existieren zahlreiche Sagen über Nehmer, den ersten Outislander, der Bocksburg eroberte und zum Stammvater des königlichen Geschlechts wurde. Eine davon berichtet, dass der Raubzug, auf dem er sich befand, seine erste und einzige Ausfahrt gewesen ist und er niemals wieder zu der öden, unwirklichen Insel zurückkehrte, die seine Heimat war. Es heißt, als er der Palisadenbefestigung von Bocksburg ansichtig wurde, habe er ausgerufen: »Wenn es dort ein Feuer gibt und etwas zu essen, bringen mich keine zehn Pferde mehr von hier weg!« Es gab beides, und er blieb.
     
    Nach der Familienüberlieferung jedoch war er ein erbärmlicher Seemann mit einer tiefen Abneigung gegen Wellen und schwankende Schiffsplanken und Pökelfischrationen, die für seine Landsleute das höchste Glück bedeuteten. Er und seine Mannschaft sollen tagelang ohne Orientierung auf dem Meer getrieben sein, und wenn es ihm nicht gelungen wäre, Bocksburg einzunehmen, hätten seine eigenen Leute ihn ersäuft. Trotzdem, der alte Gobelin im Großen Saal zeigt ihn als einen muskelbepackten, kühnen Freibeuter, der vom Bug
seines Schiffes mit zähnefletschendem Grinsen auf ein altertümliches Bocksburg aus Holzhütten und Feldsteinhäusern blickt.
    Bocksburg verdankt seine Existenz der günstigen Lage an der Mündung eines schiffbaren Flusses in einer Bucht, die einen natürlichen, geschützten Hafen bildete. Irgendein unbedeutendes Clanoberhaupt, dessen Name im Dunkel der Geschichte verlorengegangen ist,
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