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Fischland Mord - Küsten-Krimi

Fischland Mord - Küsten-Krimi

Titel: Fischland Mord - Küsten-Krimi
Autoren: emons Verlag
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rote Warnlämpchen mit dem Symbol für den Motor
     aufgeleuchtet. In der Betriebsanleitung las er, dass die Elektronik mit dieser
     Leuchtdiode einen Fehler meldete und man umgehend eine Werkstatt aufsuchen
     sollte. Er hatte den Wagen in die Werkstatt gebracht, und der diensthabende
     Meister hatte ihm großkotzig gesagt, dass man das am nächsten Tag im Griff
     haben werde. Am Morgen hieß es, man sei noch nicht dazu gekommen. Als er wieder
     zum Telefon griff, um nach einem Ersatzwagen zu fragen, war ihm Hilly in den
     Arm gefallen, hatte ihn angestrahlt und gesagt: »Oh, Eric, das ist ein Zeichen!
     Wir sollen wieder wie damals mit dem Zug fahren. Wir suchen uns ein freies
     Abteil, nur für uns ganz allein. Dann kannst du schon mal ein bisschen üben,
     wie sich Urlaub anfühlt. Ich glaube, das hast du ein bisschen verlernt.« Und
     kniff ihn in die unrasierte Backe.
    Eine Stunde später hatten sie in einem der klappernden Waggons des
     Schleswig-Holstein-Express nach Hamburg gesessen. Für die nostalgischen und
     sonstigen Gefühle ging das in Ordnung. Aber auf der einsamen Rückfahrt nahm er
     lieber die Route über Kiel mit den klimatisierten Waggons. Den Nachteil des
     Umsteigens in Kiel nahm er dafür gern in Kauf. Er hatte eine ganze halbe Stunde
     auf dem Kieler Hauptbahnhof mit den Händen in den Hosentaschen und dem Rucksack
     auf der Schulter ein bisschen Urlaub geübt. Er hatte Hilly am Flughafen noch
     einmal versprechen müssen, langsam herunterzufahren. Dann sei er schon am ersten
     Urlaubstag ohne Verspannungen im Nackenbereich und diesen polizeilichen Blick.
    Er war durch das CAP ,
     die Kneipen- und Fressmeile des Hauptbahnhofs, geschlendert, die als
     Einbahnstraße ins Kinocenter gedacht war. Im Sushi-Shop, an einem Tisch nahe
     dem Ausgang, hatte ein Mann genau in dem Moment aufgeblickt, als Lüthje hinsah.
     Ihre Augen hatten sich für eine Sekunde getroffen, dann hatte der Mann
     angestrengt auf sein leeres Sushi-Brett gesehen. Das Gefühl sagte Lüthje, dass
     es ein alter Kunde war. Irgendein sehr unangenehmer Kunde. Die Gesichtshaut
     hatte die dunkle Färbung einer geräucherten Schweineschwarte, Pickel, aus denen
     Haare zu sprießen schienen. Aber vielleicht waren es ja nur Lichter und
     Schatten, die in der Glitzerwelt einer Gastro-Passage ein eigenwilliges Äußeres
     auf ein nicht gerade attraktives, aber stinknormales Einheitsgesicht projiziert
     hatten.
    Auf dem Nachbargleis war ein Intercity aus Hamburg eingefahren und
     spuckte Menschenmassen aus, die sich mit den auf dem Bahnsteig Wartenden wie
     Ameisenvölker vermischten, und trotzdem fand jeder einzelne von ihnen auf
     wundersame Weise wieder zu seinem Volk zurück. Man drängelte an den
     Aussteigenden vorbei in die gerade erst geleerten Waggons oder suchte den
     nächsten Bahnhofsausgang, der zum Parkhaus oder zum Bus führte. Man eilte,
     rannte, stolperte, mit leerem Blick, kramte hektisch in Jacken oder
     Handtaschen, hielt sich lachend oder weinend in den Armen.
    Lüthje, der Lupenkieker, war fasziniert von dieser geballten Ladung
     wirklich gewordener Unwahrscheinlichkeiten. Sogenannte totale Zufälle sind
     eigentlich nichts weiter als reale Unwahrscheinlichkeiten, dachte Lüthje.
     Menschen, die sich noch nie vorher gesehen hatten und auch nie wieder sehen
     würden, sahen sich für einen kurzen Moment in die Augen, flüchtig, irritiert,
     freundlich. Jede der Begegnungen, die er registrierte, konnte schicksalhaft
     sein, einem Verbrechen zugrunde liegen oder es auslösen. Man müsste in die
     Köpfe sehen können, das würde die Arbeit sehr erleichtern. Das hatte er sich
     schon als kleiner Junge gewünscht. Komisch eigentlich, dass es jetzt sein Beruf
     war, die Gedanken herauszukramen, die zu Verbrechen geführt hatten.
    Wer weiß, woran diese beiden ernsten Männer dachten, die sich gerade
     mit einem festen Händeschütteln verabschiedeten. Oder der Mann, der wild mit
     den Armen gestikulierte, und die Frau, die vor ihm zurückwich. Oder das
     Pärchen, das sich leidenschaftlich und hemmungslos in der Waggontür zum
     Abschied küsste. Na ja, bei denen glaubte er es zu wissen. Aber auch da konnte
     man nicht sicher sein, vielleicht war Berechnung im Spiel.
    Sein seit Jahrzehnten geschulter polizeilicher Blick, den konnte er
     nie aus der Verantwortung entlassen, obwohl er wusste, dass man in diesem
     Durcheinander nichts Verdächtiges, polizeilich Relevantes entdecken würde.
     Hilly hatte recht, einen Urlaub,
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