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Fischland Mord - Küsten-Krimi

Fischland Mord - Küsten-Krimi

Titel: Fischland Mord - Küsten-Krimi
Autoren: emons Verlag
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sein. Vermutlich bekam sie nur zu spüren, dass er
wenig von Fremden hielt, die sich seiner Meinung nach einbildeten, durch die
Verlegung ihres Wohnsitzes zu echten Fischländern werden zu können, und es
hätte jeden erwischt, der das Haus neben seinem kaufte.
    Sie stieß sich vom Fenstersims ab. Das Frühstück ihrer Gäste wollte
vorbereitet werden. Eins der drei Zimmer in Kassandras Pension war mit einem
Pärchen belegt, das spät zu frühstücken pflegte, das zweite mit einem älteren
Ehepaar, das sehr früh aufstand, und das dritte bewohnte seit einigen Tagen ein
alleinreisender Mann um die sechzig.
    Kassandra drehte das Radio auf und summte leise vor sich hin,
während sie das Frühstück für die Bergers aus Dresden zubereitete. Dabei warf
sie hin und wieder einen Blick aus dem Fenster. Obwohl sie schon fast dreizehn
Monate hier lebte, konnte sie es immer noch nicht ganz fassen: Dies war ihr
neues Leben. Wann bekam man schon mal eine zweite Chance? Noch dazu gerade
hier?
    Fischland, Darß und Zingst waren einmal drei Inseln gewesen. Dann
war vor langer Zeit der Meeresarm zwischen dem Festland und dem Fischland
ebenso wie der zwischen dem Fischland und dem Darß verlandet, und wieder viel
später waren Darß und Zingst mit einem Deich verbunden worden,
um die schlimmsten Auswirkungen von Sturmfluten zu verhindern. So
war über Jahrhunderte hinweg die Halbinsel entstanden, die zwischen der rauen
Ostsee auf der einen und dem sanften, flachen Binnengewässer, dem Bodden, auf
der anderen Seite lag. Dennoch haftete jedem Teil nach wie vor etwas
Unverwechselbares an. Kassandra liebte Wustrow, das Dorf auf dem Fischland, in
dem auf eigentümliche Weise jede Straße, jedes Haus, sogar beinah jeder Baum
Geschichte, Geschichten und Seefahrt atmeten. Sie fühlte sich verbunden mit
diesem Landstrich, der ursprünglich geblieben war – an der See zuweilen bunt
und quirlig, am Bodden beschaulich und verträumt. Mehr Wasser und mehr
Schönheit gingen kaum.
    Vorsichtig ließ sie die Eier in den Topf gleiten. Es hatte eine Zeit
gegeben, da hatte sie Eier kochen lassen , aber das
war glücklicherweise vorbei. Ihre Gedanken an die Vergangenheit wurden
unterbrochen, weil die Bergers gut gelaunt herunterkamen und sich über Kaffee
und Brötchen hermachten. Kurze Zeit später waren die beiden verschwunden und
würden bis zum Abend nicht wiederkommen, wie jeden Tag.
    Kassandra machte ihre Betten und putzte das Bad, dann bereitete sie
das nächste Frühstück vor. Auch Madlen Starke und Simon Fahrig aus Osnabrück
waren bald darauf ausgeflogen, es fehlte nur noch Ferdinand Thun. Sie hatte
gestern zufällig ein paar Fetzen eines Telefonats gehört, in dem er von
diversen Galerien in der Gegend gesprochen hatte, und mitbekommen, dass er
heute recht früh nach Ahrenshoop wollte. Seltsam, dass er noch nicht auf war.
    Da klingelte es an der Tür.
    »Morgen, Kassandra«, grüßte Jonas Zepplin, ihr Nachbar zur Linken.
Er war nicht nur jünger, sondern vor allem erheblich freundlicher als Heinz
Jung. Wäre sie von zwei Nachbarn von Jungs Sorte umgeben gewesen, du liebe
Zeit. »Ich will nicht weiter stören, aber als ich eben bei mir im Hof stand,
ist mir aufgefallen, dass deine Mohnblumen allesamt am Boden liegen.«
    »Im Ernst?«, fragte Kassandra entgeistert. »Wie kann das denn
passiert sein? Es hat zwar die Nacht geschüttet wie aus Eimern, aber …«
    »… solchen Schaden wird das nicht angerichtet haben«, stimmte Jonas
zu. »Vielleicht hat einer deiner Gäste einen nächtlichen Ausflug in deinen
Garten gemacht?« Er lachte. »Ich muss los, tschüs dann!«
    Nachdenklich schaute Kassandra Jonas hinterher. Man konnte nicht sagen,
dass sie einander gut kannten, aber sie mochte seine ruhige, bodenständige Art.
Er hatte einen kleinen Laden mit dem hübschen Namen »Fischländereien«, in dem
er maritime Souvenirs verkaufte, und machte im Sommer für Urlauber
Zeesbootfahrten auf dem Bodden. Schon vor längerer Zeit hatte er sie zu einem
Ausflug auf einem dieser alten Fischerboote mit den dunklen rotbraunen Segeln
eingeladen. Wären die Umstände andere gewesen, hätte sie die Einladung
angenommen, doch die Dinge waren etwas komplizierter.
    Kassandra ging durch den schmalen dunklen Flur in ihr Wohnzimmer,
betrat die Terrasse und blickte prüfend zu dem türkischen Mohn hinüber. Jonas
hatte recht gehabt. Die Stauden mit den großen gefüllten Blüten lagen am Boden
und sahen aus wie hingegossene Blutflecke. Jemand hatte sie
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