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Fischland Mord - Küsten-Krimi

Fischland Mord - Küsten-Krimi

Titel: Fischland Mord - Küsten-Krimi
Autoren: emons Verlag
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meiner Gäste bitten, bevor ich sie über meine Schwelle lasse,
Herr Polizeiobermeister a. D.«
    »Hauptmeister, bitte. Ich glaube kaum, dass ich meine Kollegen damit
belästigen werde.«
    Natürlich wusste Kassandra, dass Heinz Jung als Polizeihauptmeister
in Pension gegangen war, er wurde nie müde, das zu betonen. Aber obwohl sie
sich vorgenommen hatte, auf seine herablassende Art
niemals unfreundlich zu reagieren, hatte sie sich diesen kleinen
Racheakt nicht verkneifen können.
    »Schade, ich bin sicher, das wäre mir eine große Hilfe.« Damit
knallte sie ihre Terrassentür hinter sich zu. Wenn sie die nachbarschaftliche
Fassade auch wahren wollte, so sollte ihm das Knallen der Tür doch klarmachen,
wie wütend sie auf ihn war. Sie schaute zurück und
erkannte selbst auf diese Entfernung seinen hämischen
Gesichtsausdruck. Was heute passiert war, konnte ihm nur recht sein.

2
    Zu Hause fiel Kassandra die Decke auf den Kopf, sie entschloss sich,
an die Luft zu gehen. Zunächst lief sie mit schnellen Schritten ziellos durch
die teils unasphaltierten Straßen, auf denen sie wegen des nächtlichen Regens
häufig Schlaglöchern mit schmutzigem, schlammigem Wasser ausweichen musste.
Doch dann wurde ihr klar, dass das nicht half. Nur die
See war wirklich gut gegen Schwierigkeiten aller Art. Das war
schon ihr ganzes vierunddreißigjähriges Leben lang so gewesen.
    An der Ecke Parkstraße und Direktor-Schütz-Weg blieb sie aus alter
Gewohnheit stehen, um die Villa des ehemaligen Direktors der Seefahrtschule zu
bewundern, ein großzügiges hellgelbes Haus mit wunderschönen Rundbogenfenstern
und grün-gelben Fensterläden. Die Seefahrtschule selbst war zu Direktor Schütz’
Zeiten im neunzehnten Jahrhundert ebenfalls ein hübsches Gebäude gewesen.
Später, als sie immer mehr Studierende beherbergen musste, riss man sie ab und
errichtete Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts an derselben Stelle diverse große
Neubauten. Davon stand heute nur noch ein Teil jenseits der Parkstraße, und der
war zu einer unansehnlichen Ruine mutiert, nachdem die Schule bald nach der
Wende den Lehrbetrieb eingestellt hatte. Der Gedanke an den Kasten ließ
Kassandra gleich aus mehreren Gründen eine Gänsehaut bekommen.
    Ihr Exmann Sven Larsen war vor viereinhalb Jahren mit dem Plan nach
Wustrow gekommen, aus den Resten der Seefahrtschule ein Grand Hotel zu machen.
Damit hatte er jede Menge Staub aufgewirbelt, bevor die meisten – und vor allem
die größten – potenziellen Investoren abgesprungen waren, weil sie Sven
rechtzeitig durchschaut hatten. Einige kleinere Geldgeber
hingegen hatten den Staub geschluckt. Kassandra wusste aus einer zuverlässigen
Quelle namens Violetta, dass auch Heinz Jung Gold gerochen hatte, finanziell
bei Sven eingestiegen war und natürlich seine Ersparnisse nie wiedersehen
würde. Wenn Jung erfuhr, wer Kassandra in diesem Szenario war, würde er ihr das
Leben erst richtig zur Hölle machen.
    Gegenüber Violetta hatte sie ebenso den Mund gehalten wie gegenüber
allen anderen. Sie war auch nur einmal mit Sven hier gewesen, aber das und ein
Fischland-Roman hatten genügt, sich in den kleinen Ort zu verlieben. So sehr,
dass sie Jahre später zurückgekommen war – ohne Sven, dafür mit ihrem Mädchennamen.
Den Roman von Alexander Hardenberg hatte sie seitdem noch ungezählte Male
gelesen. Und jedes Mal entdeckte sie Neues darin – über das Land, die See und
die Menschen, die hier lebten.
    Kassandra ließ die Direktorenvilla hinter sich und erreichte nach einem
kurzen Weg durch ein Waldstück die Strandstraße. Gegenüber ließen die großen
grünen Tore der vor über hundert Jahren aus Backstein erbauten Seenotstation
Besucher ein, es war Tag der offenen Tür. Ein paar Schritte weiter umwehte
Kassandra der verführerische Duft von frischen Waffeln am Stiel, denen sie kaum
je widerstehen konnte. Bald darauf biss sie genüsslich von einer Waffel ab,
Puderzucker auf der Nase, und betrat die Seebrücke. Strand und Strandkörbe
waren gut bevölkert, weiter hinten, zum Hohen Ufer hin, tummelten sich die
Leute, die lieber über Sand und Steine spazieren gingen. Kassandra warf den
abgeknabberten Waffelstiel in einen Mülleimer und schlenderte die Seebrücke
hinauf bis zu deren Kopf, wo schon ein Angler zu Werke ging. Das war zwar am Spätnachmittag
noch nicht gestattet, aber das störte die wenigsten.
    »Na, Mädchen, brauchst du einen ordentlichen Dorsch
zum Abendessen?«, begrüßte sie der alte Bruno und tippte sich
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