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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Autoren: Fabio Genovesi
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Schulter beginnt, am Ellbogen abknickt und dann bis zum Handgelenk geht. Und nach dem Handgelenk – nichts. Da hätte die Hand sein müssen, meine Hand. Sie war immer da, vierzehn Jahre lang, aber jetzt ist da nur Luft, der Gestank aus dem Kanal, sonst nichts.
    Das ist die Leere.
    Eins zwei drei vier fünf sechs sieben acht … bumm.
    Weil Galilei ein Dummkopf war.
    Und ich ein noch viel größerer.

METAL DEVASTATION
    Na gut, mir fehlt eine Hand, die rechte, und ich bin kein Linkshänder. Das heißt, inzwischen schon, zwangsläufig, aber früher nicht. Früher hab ich alles mit rechts gemacht: gegessen, mich gekratzt, die Fernbedienung gehalten oder den Tischtennisschläger. Und Böller geschmissen, leider.
    Hier in Muglione, wo die Leute alle sehr nett sind, nennt man mich Einarmiger oder Krüppelchen, meistens aber Kralle. Einen Glatzkopf nennen sie Locke und Maurino, den stummen Schulhausmeister, Pavarotti.
    So ist es immer: Das, was fehlt, zählt viel mehr als das, was da ist, und eine fehlende Hand scheint wichtiger zu sein als die Tatsache, dass ich beispielsweise noch eine andere, heile Hand habe und beide Beine, die Füße und meine Geschmackspapillen.
    Ist aber ganz in Ordnung: Fünf Jahre sind vergangen, und ich bin jetzt wieder in der Lage, eine Menge wichtiger Dinge zu tun. Die alltäglichen Dinge, die man erledigt, ohne groß darüber nachzudenken: sich die Schuhe anziehen zum Beispiel, sich waschen und essen. Ich musste die Bewegungsabläufe in lauter Einzelschritte zerlegen und dann wieder neu zusammensetzen. Hat zwar ordentlich Zeit gekostet, aber die Zeit verging, und ich hab’s gelernt. In gewisser Weise bin ich daran wohl auch gewachsen.
    Aber die Hand nicht, die wächst nicht nach. Ich schwöre, zuerst hab ich an so was gedacht, gleich nach dem Knall war das mein erster klarer Gedanke. Ein paar Sekunden lang hab ich mich gefragt, ob eine Hand nicht nachwachsen kann. Das ist gar nicht so absurd, denn wenn ein Krebs eine Zange verliert, wächst die ihm auch nach, und wenn du einer Eidechse den Schwanz abtrennst, ist es genauso. Schon irre.
    Ich meine, wir sind doch die höher entwickelten Lebewesen, oder? Wie kann es dann sein, dass Krebse und Eidechsen so was schaffen und wir nicht? Sogar die Hummer, Mann, die Hummer! Die haben zwei Riesenzangen, und wenn sie beim Kampf eine verlieren oder sich in einem Fischernetz verheddern, wächst ihnen auch dieses Mordsgerät nach. Und weil ihn das enorm viel Kraft kostet, hört der Hummer auf zu wachsen. Kein Witz, dieses dumme Tierchen da unten auf dem Meeresboden hört auf zu wachsen, weil seine ganze Kraft in die Zange geht, und dann ist es mit einem Mal wieder ganz und wirbelt durchs Wasser. Also: Ein Hummer schafft das, und bei uns, die wir die Natur beherrschen wollen, wachsen nur völlig nutzlose Teile nach wie Nägel und Haare … Tolle Leistung.
    Strata-bumm .
    Giuliano drischt auf die Snare Drum ein, und meine Gedanken kehren wieder in die Garage zurück. Er setzt sich auf seinem Hocker zurecht, die anderen beiden schauen mit den Instrumenten im Arm zu mir rüber. Es kann losgehen.
    One, two …
    Schon wieder diese Zahlen, dieses Abzählen. Fünf Jahre ist es her, aber jedes Mal wenn ich zähle, überkommt mich ein Schauder. Ist aber in Ordnung, ein Schauder ist jetzt genau das Richtige, es macht mich wach und gibt mir Power, denn jetzt müssen wir alles geben.
    One, two, three, four … Come on!
    Die Gitarre setzt mit einem mörderischen Riff ein, zwei Takte solo, dann kommt das Schlagzeug mit einem fetten Wirbel, dann der Bass, volle Power. Ich fixiere die Mauer vor mir und werfe den Kopf im Rhythmus des Stücks nach oben, dass meine Haare nach allen Seiten fliegen.
    Noch zwei Takte, dann bin ich dran mit Singen. Also, gezwungenermaßen sozusagen, mit nur einer Hand hatte ich ja nicht groß die Wahl. Klar, stimmt schon, der Schlagzeuger von Def Leppard hat auch noch Platten aufgenommen, nachdem er einen Arm verloren hatte, aber habt ihr euch die mal angehört? Eben, und deshalb kann ich von Glück reden, dass ich eine so begnadete Stimme habe.
    Heute Abend gibt es eine Besonderheit: Ich singe italienisch. In gewissem Sinn hab ich verloren, ich war null einverstanden, italienisch zu singen, aber am Ersten Mai findet in Pontedera dieses Oberschulenfestival statt, das sich PontedeRock nennt. Es wird von der Jungen Linken organisiert, und die haben diese hirnrissige Regel, dass alle Songs auf Italienisch sein müssen. Also haben wir abgestimmt
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