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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Autoren: Fabio Genovesi
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drüber nachgedacht.
    Das Spezialfutter war ein Flop. Kaum kam es mit dem Wasser in Berührung, löste es sich auf. Aber wir hatten ja noch die Maden. Die befestigten wir am Haken, und schon kamen Karpfen, Welse, Dorsche und auch die eine oder andere Schleie, und unsere Erfindung war vergessen.
    Irgendwie kommt’s mir komisch vor, dass wir frühmorgens noch dachten, wir würden Millionäre werden, und eine halbe Stunde später einfach so hinnahmen, dass das alles Blödsinn war. Die Fische bissen an, das war die Hauptsache. Ich fand das erstaunlich und schön, sehr schön.
    Mein Vater sieht das anders. Eine solche Haltung bringt ihn auf die Palme. Er nennt das »sich abfinden«, und sich abzufinden ist was für Loser.
    »Fiorenzo, am Ende eines Rennens zählt nur die Reihenfolge im Ziel: Erster, Zweiter, Dritter. Und der Zweite und der Dritte sind schon am nächsten Tag vergessen.«
    Das sagte er immer nach einem Rennen, denn für ihn gibt es nichts Wichtigeres im Leben. Die Welt ist für ihn nicht mehr als ein Schauplatz für Streckenprofile und Zielgeraden.
    Normale Väter gehen mit ihren Kindern auf den Rummel, in den Zoo oder ins Kino, sie kaufen ihnen Sammelbildchen oder nehmen sie mit zum Angeln. Meiner nahm mich nur zum Radtraining mit. Ich hab das Radfahren so früh gelernt, dass ich es anfangs besser konnte als laufen. Aber für mich war das normal. So wie es normal war, hinter dem Begleitfahrzeug gemeinsam mit den Profirennfahrern in die Pedale zu treten.
    Sie erklärten mir für jede Strecke die richtige Schaltstellung. Manchmal machte ich aber auch einfach, was ich wollte, und wenn sie mir vor einem Anstieg sagten Schalt jetzt runter, sonst kommst du aus dem Rhythmus , konnte ich ebenso gut den Kopf schütteln und auf dem höheren Gang beharren, in dem sie selbst fuhren. Hinterher merkte ich, wie meine Beinmuskeln steinhart wurden, spürte diesen Schmerz in den Oberschenkeln, genau in der Mitte, und dann fing ich an, mit dem ganzen Körper und den Schultern nachzuschieben, und am Ende schnaufte ich wie ein asthmatischer Hund.
    Und so ging es Jahr um Jahr, meine Mutter regte sich auf, mein Vater hörte nicht auf sie, und ich trat in die Pedale und stoppte die Zeit und dachte an den Tag, an dem ich Weltmeister werden würde. Eine Dankesrede hatte ich schon vorbereitet.
    Dann, genau einen Tag nachdem ich bei der Bergfahrt auf den Monte Serra meinen eigenen Rekord gebrochen hatte, bastelte ich die Superbombe mit den sechs Krachern, und weg war die rechte Hand. Mit dem Radfahren war es ein für alle Mal vorbei.
    Im Krankenhaus kam mein Vater mich nicht besuchen. Das heißt, gekommen ist er schon, aber als er mich sah, musste er losheulen und ist gleich wieder gegangen. Ich habe ihn erst wiedergesehen, als ich entlassen wurde. Ich bin im Pyjama nach Hause gekommen, und wenn du im Pyjama aus einem Auto steigst, dann heißt das, dass es dir nicht wirklich gut geht. Mein Vater stand in der Tür, und zuerst konnte ich ihm nicht in die Augen schauen und er mir auch nicht. Ich, weil ich mich schämte, bei ihm weiß ich nicht, warum.
    Aber dann gab er mir ein Poster, das er beim Fotografen hatte machen lassen, ein Foto von Fiorenzo Magni, nach ihm hatte er mich schließlich benannt. Magni war der Löwe von Flandern und fuhr den Giro d’Italia 1956 mit nur einer Hand zu Ende: Er war gestürzt, hatte sich das Schlüsselbein angebrochen und konnte mit dieser Hand nicht mehr den Lenker halten. Aber statt aufzugeben, band der Löwe von Flandern den Zipfel eines Stofffetzens um seinen Lenker und hielt den anderen Zipfel zwischen den Zähnen fest, sodass er sich auch bei den schwersten Steigungen irgendwie im Sattel halten konnte. Auf diese Weise fuhr er durch halb Italien und bezwang die steilsten Berge, und auf dem Poster sieht man ihn mit diesen Beinen, die aussehen wie zwei Bündel Stahlseile. Um ihn herum die tobende Menge, er aber nimmt den Berg in Angriff, mit konzentriertem, zielgerichtetem Blick über den Lenker gebeugt, die Zähne zusammengebissen, die Augen starr nach vorn gerichtet.
    Ich sah erst das Poster an, dann meinen Vater. Und er sagte So, Fiorenzo. Schau dir dieses Bild gut an. Genauso wird es ab heute für dich laufen .
    Ich war wie vom Schlag getroffen. Wollte er mich wieder den Monte Serra hochjagen, mit einem Fetzen Stoff zwischen den Zähnen? Der spinnt wohl, dachte ich, der will mich fertigmachen. Dabei würde ich mir mindestens ein paar Zähne ausbrechen.
    Aber ich hatte ihn falsch verstanden. Er
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