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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Autoren: Fabio Genovesi
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Profifahrer und Vorsitzender des Radsportvereins UC Muglionese weithin bekannt, und die Journalisten, sagt er, würden nur auf eine Gelegenheit warten, ihm an den Karren zu pissen. Ich tue so, als würde ich ihm glauben, klemme mir den Karton mit den Kätzchen unter den Arm und tue, was zu tun ist.
    MIA-UUUUUUU.
    MIA-UUUUUUU.
    So hat jeder seine Probleme. Ich beispielsweise werde zu spät zur Probe kommen. Und für morgen müsste ich eigentlich noch Geschichte lernen, weil ich wahrscheinlich drankomme und keinen blassen Schimmer habe. Doch ich bin seit heute früh außer Haus und habe noch kein Buch aufgeschlagen, vielleicht sollte ich auch morgen die Schule schwänzen. Gute Idee, morgen Vormittag gehe ich angeln, nehme das Buch mit und lerne am Kanal. Zu Hause wäre es einfacher, aber seitdem meine Mutter nicht mehr da ist, bin ich so gut wie gar nicht mehr zu Hause. Je seltener ich meinen Vater sehe, desto besser ist meine Laune, und ich glaube, ihm geht es genauso. Das heißt, nicht ganz: Ich kann meinen Vater nicht ertragen, ihm dagegen bin ich schlichtweg egal. Ob ich jetzt in diesem Augenblick in meinem Zimmer bin oder in der Hölle, kümmert meinen Vater einen Dreck. Für ihn ist es fast so, als wäre ich auch tot, wie meine Mutter. Eigentlich bin ich schon mit vierzehn gestorben, an dem Tag, als mir die Hand abgerissen wurde. Und jetzt, wo er diesen verfluchten kleinen Superchampion aufgelesen hat, bin ich noch toter als tot.
    Der Hof der Jugendinfo ist von der Straße durch ein Mäuerchen getrennt, das mir bis zur Brust reicht. Ich hieve den Pappkarton hoch, beuge mich über das Mäuerchen und versuche, die Arme so lang zu machen, dass ich den Karton möglichst knapp über dem Boden absetzen kann.
    Einen halben Meter über dem Boden könnte ich loslassen, aber die Kätzchen in dem Karton miauen so ängstlich, dass ich Mitleid kriege und versuche, mich noch ein Stück weiter runterzubeugen. Aber ich bin ein Dummkopf, stelle mich zu weit auf die Zehenspitzen und – ach du Scheiße – hebe plötzlich ab: Der Karton ist im Hof, und ich, mit der Hand auf den Karton gestützt, hänge in der Luft, den Bauch auf der Mauer.
    In solchen Momenten wäre eine zweite Hand schon nicht schlecht.
    Und weil ich immer so ein unbeschreibliches Glück habe, kommt jetzt Lärm von da drüben, von der Jugendinfo, eine Tür geht auf, und ich höre Stimmen in einer fremden Sprache. Was machen denn Ausländer abends in der Jugendinfo von Muglione? Und vor allem: Was werden sie mit mir machen, wenn sie mich hier so sehen?
    Mit dem Arm kann ich mich nicht mehr lange halten, das spüre ich, er tut schon weh. Aber noch mehr schmerzen meine gequetschten Rippen. Zur Straße hin hängen meine Beine in der Luft, mein Oberkörper ist im Hof, das Blut staut sich im Kopf. An die Lederjacke will ich gar nicht denken, die kriegt bestimmt ein paar Kratzer ab.
    »Yes, I remember! Oh, so funny!«
    Die Stimmen werden immer lauter, sie kommen jetzt schon von der Straße.
    MIA-UUUUUUU.
    MIA-UUUUUUU.
    Okay, Schluss mit diesem Schauspiel! Ich muss mich mit der Hand so fest abstoßen, dass ich hoffentlich mit den Füßen auf dem Asphalt aufkomme. Ist der Schwung zu gering, lande ich kopfüber im Hof, und dann wird es böse enden, für mich und für die Kätzchen da unten, aber eine andere Wahl habe ich nicht.
    Also hole ich tief Luft und zähle, eins, zwei, drei … los! Und dieses eine Mal in meinem Leben ziehe ich beim Zählen keine Niete. Mein T-Shirt zerreißt, ich zerre mir die Schulter, ich falle und lande auf dem Hintern, dass mir der Schmerz vom Steißbein bis unter die Schädeldecke schießt, aber wenigstens bin ich auf der Straße, auf der richtigen Seite des Universums.
    »Oh, Tiziana, come on, Tiziana, show us your place, come on …«
    Da sind sie. Auf dem Gehsteig, schwarze Kegel in der Dunkelheit. Ich stehe auf, schwankend, sie haben mich entdeckt und hören auf zu reden. Und ich, ich höre nicht auf zu laufen.

LIBELLEN SIND LESBISCH
    Jetzt ist es also passiert, Tiziana. Du wusstest, dass es früher oder später dazu kommen würde, und hattest gehofft, gebangt und gebetet, dass nicht. Es hat alles nichts genutzt. Deine Freunde aus dem Masterstudiengang in Berlin sind zu einem zweitägigen Kongress der Universität Florenz hierhergekommen. Aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Holland und Schweden. Du hast ganz kurzfristig davon erfahren, dich aber schnell darauf eingestellt. Du hast ihnen Florenz gezeigt, Siena, sogar den Schiefen
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