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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe
Autoren: Colin Dexter
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ihn laufen, nachdem er ihm gründlich die Meinung gesagt hatte...»
    «Das ist nicht alles, was Sie mir zu sagen haben, nicht wahr?» sagte Morse leise.
    «Nein, Sir. Sie haben so etwas geahnt, nehme ich an. Das war am Montag morgen, eine halbe Stunde, nachdem der Laden geöffnet hatte.»
    «Sie wollen sagen, daß er seinen Dad nicht erschossen haben kann, ist es das?»
    «Nicht einmal, wenn er derjenige gewesen wäre, der einen Hubschrauber gemietet hat, Sir.»
    «Weiß Mrs. Daley es schon?»
    «Noch nicht.»
    «Lassen Sie sie schlafen, Lewis. Lassen Sie sie schlafen.»

    Eine Stunde später lag Morse noch immer wach im Bett, doch jetzt fühlte er sich viel entspannter. Es war, als bastele man an einem Kreuzworträtsel herum und habe eine mögliche Antwort gefunden, sei aber unzufrieden mit dieser Antwort, weil sie nicht überzeuge, und dann werde auf einen Druckfehler hingewiesen, der besagt, daß der Schlüssel von vornherein falsch gewesen sei, und dann, mit dem richtigen Schlüssel...
    O ja!
    Die ganze Zeit hatte ihm die Motivation Philip Daleys, seinen Vater zu töten, nicht eingeleuchtet. Es hätte natürlich so gewesen sein können — viel seltsamere Dinge als das geschahen im Leben. Aber die Aufeinanderfolge von plötzlichem Haß und sorgfältig geplantem Mord klang nicht echt, und Morse überdachte noch einmal die ursprünglichen Fakten: der Ort, wo George Daley ermordet aufgefunden worden war, am Rande des kleinen Gehölzes im Blenheim Park, noch immer abgesperrt, und außer der Leiche war nichts entfernt worden, und selbst jetzt stand noch irgendein müder PC Wache, oder saß Wache... Wirklich merkwürdig, das! Morse hatte bei diesem Fall eine fast noch nicht dagewesene große Anzahl von Männern angefordert, und was noch wichtiger war, er hatte jedem eine besondere Aufgabe zugewiesen. Doch bis jetzt war noch keiner mit irgend etwas hervorgetreten.
    Und plötzlich wußte er, warum!
    Er setzte sich mit einem Ruck auf, wie elektrisiert, und dachte über den Druckfehlerhinweis nach, jetzt gelassen vor sich hin lächelnd. Es könnte sein. Es mußte so sein! Und die neue Antwort strahlte und paßte rundherum, eine Antwort, die , wie die Preisrichter der Hundeausstellung bei Crufts sagten.
    Es war 2.40 Uhr, und Morse wußte, daß er etwas tun mußte, wenn er jemals zum Schlafen kommen wollte. Er machte sich eine seiner seltenen Tassen Ovaltine und saß eine Weile am Küchentisch, ungeduldig wie immer, aber zufrieden. Was ihn an das Heisenbergsche Unsicherheitsprinzip erinnerte, wußte er nicht zu sagen. Physik war ihm lange verschlossen gewesen, seit er in der Schule einmal versucht hatte, ohne Erfolg, sich mit einer ihm unverständlichen Einrichtung zu beschäftigen, die Wheatstone Bridge genannt wurde. Aber Heisenberg war ein großer Mann, und Morse schlug ihn in seiner Enzyklopädie nach: Morse nickte vor sich hin. Das galt auch für Zeit...
    Bald darauf schlief Morse ein.
    Als er um sieben Uhr erwachte, dachte er, daß er vielleicht von einem Chor schöner Frauen geträumt habe, die elisabethanische Madrigale sangen. Aber es war alles etwas vage; etwa so vage wie die Frage, was genau, als ein Prinzip, Werner Karl Heisenberg (1901—76) sich vorgestellt hatte.

Kapitel fünfundsechzig

    Was für seltsame Streiche das Gedächtnis uns spielt, das oft, verschwommen wie ein Traum bei den allerwichtigsten Ereignissen, gewissenhaft die unbedeutendsten Kleinigkeiten bewahrt

    (Sir Richard Burton, Sind Revisited)

    «Sie sehen daher ein, Lewis» — die beiden standen am nächsten Morgen am Ort,wo Daley ermordet worden war — «wie überaus wichtig es ist, hier alles genau so zu lassen, wie es war.»
    «Aber alle möglichen Leute sind hier rumgetrampelt.»
    Morse strahlte. «Ja, aber wir haben dieses, nicht wahr?»
    Er klopfte liebevoll auf das Dach des Blenheim-Lieferwagens. «Wenn nicht einer von den Jungs drin gesessen hat, um zu rauchen.»
    «Wenn einer das getan hat, mach ich ihn fertig.»
    «Übrigens, haben Sie heute morgen mit Dixon gesprochen?»
    «Dixon? Was zum Teufel hat Dixon mit irgendwas zu tun?»
    «Nichts», murmelte Lewis und wandte sich den beiden Männern zu, die bei dem Bergungsfahrzeug standen.
    «Ohne überhaupt reinzugehen, meinen Sie?» fragte der ältere der beiden.
    «So will es der Chief Inspector, ja.»
    «Aber wir können es nicht tun, ohne das verdammte Ding
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