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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman
Autoren: Aufbau
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niemand schenkte ihm große Beachtung. Überdies galt es nicht als besonders weise, allzu tief in die intimen Trainingsgeheimnisse eines Mannes einzudringen.
    Mittags ging Buck zu Lung Chow, um zu baden und sich abreiben zu lassen, und dann gab es ein bescheidenes Mittagessen im Last Chance: zwei kurz gegrillte Lammkoteletts und ein Glas lauwarmes Wasser. Nachmittags legte sich Buck noch einmal für ein dreistündiges Mittagsschläfchen aufs Ohr, und danach folgte sein abendlicher Zwei-Meilen-Fitnessspaziergang rund um die Stadt sowie ein Abendessen, das stets aus Irish Stew und einem Stück gedecktem Apfelkuchen bestand, dazu zwei Tassen Kaffee, nicht mehr, nicht weniger.
    Bucks strenger Rhythmus wurde den Bürgern bald zur Gewohnheit. Nur mittwochnachmittags gab es eine Ausnahme, dann unterbrach Buck seinen Zeitplan, um armenWitwen auf entlegenen Farmen etwas Gutes zu tun, Holz zu hacken, entlaufenes Vieh einzufangen, Kartoffeln auszugraben – alles, was gerade vonnöten war.
    Wäre bekannt geworden, dass Buck vielen dieser Damen nicht nur bei der Feldarbeit half, sondern ihnen auch den einen oder anderen Liebesdienst auf ihren Tagesdecken angedeihen ließ, hätte das – von den Baptistendamen einmal abgesehen – in Canyon City wohl kaum jemanden gegen ihn aufgebracht. Schließlich konnte es ja nicht besonders vernünftig sein, all die Energie, die er sich in Macys schummerigem Stall antrainierte, restlos ins Laufen zu stecken. Da war es doch besser, seine Männlichkeit bei unbescholtenen Witwen rein zu halten, als sich bei Dolly Browns Mädchen eine Krankheit wegzuholen.
    Doch Anfang Juli wurde es mit den Wettläufen und dem Geld plötzlich mau, und obwohl Buck noch immer schlank und proper durch die Straßen ging, meinten die Leute, der Schnelle Mann wirke ein wenig eingerostet – »blässlich« nannten es die Damen.
    Eine Welle von Goldsuchern, die in der Hoffnung, sich zwischen der 7. Kavallerie und den Sioux durchlavieren zu können, Kurs auf die Black Hills genommen hatte, sorgte für eine kurze Reprise: Buck hatte den schnellsten Schürfer mit einem 25 Kilo schweren Kornsack auf dem Rücken über 50 Meter geschlagen. Doch die Goldgräber waren knapp bei Kasse, und gegen die glorreichen Zeiten nach seinem Sieg über Ledoux waren das hier kleine Fische. Niemand machte Buck einen Vorwurf. Wer wollte schon den langen Weg nach Canyon City antreten, um es mit solch einem Läufer aufzunehmen. Aber Buck begann tatsächlich, ein wenig blässlich auszusehen; von den Nutznießerinnen seiner Mittwochnachmittagsdienste wurden allerdings keine Klagen bekannt.
    Derweil war das »Theater des Westens«, das sich inzwischen in Budds Sägemühle einquartiert hatte, ein festerBestandteil des Stadtlebens von Canyon City geworden. Das Theater reiste mit leichtem Gepäck und beschränkte sich auf eine Handvoll Kulissen mit den notwendigsten Schlüsselsymbolen: eine Halbsäule für die Senatsszene in Julius Cäsar , eine Bahn Gobelinstoff für die Hofszene in Hamlet . In den gewohnt bescheidenen Spielstätten funktionierte diese Schlichtheit bestens, und Moriarty, der ein exzellentes Gespür für Proportion und Aufbau hatte, wusste seine beschränkten Mittel optimal zu nutzen. Eleanor, die für die Kostüme der Truppe zuständig war, ergänzte ihn darin perfekt. Sie hielt die Dinge ebenfalls schlicht, hatte doch die Erfahrung gezeigt, dass teure, aufwendige Kostüme schwer zu transportieren waren und zudem in den schummerigen »Theatern«, in denen sie und Moriarty auftraten, vollkommen untergingen.
    In der Mischung aus Professionalität und Dilettantismus war Moriartys »Theater des Westens« einzigartig. Das professionelle »Theater« bestand allein aus Moriarty und Eleanor, die sich auf die Darbietung von Shakespeare-Auszügen beschränkten, auf die Balkonszene aus Romeo und Julia oder auf Othellos Mord an Desdemona. Zusätzlich gab es Monologe aus Hamlet, Macbeth oder Der Kaufmann von Venedig sowie Rezitationen aus Shakespeares Sonetten oder den Werken von Byron, Shelley und Keats. Als Gegengewicht zu dieser Mischung präsentierten Moriarty und Eleanor Schwänke, beliebte Sketche und klamaukige Ehekomödien.
    Doch komplette Stücke und selbst die Kurzversionen der von Moriarty eigenhändig eingedampften Klassiker erforderten größere Besetzungen, wozu Moriarty die Sehnsüchte der kleinen Leute gewinnbringend zu nutzen wusste. Aus den Schülern ihres täglichen Professionellen Sprechunterrichts (zu 50 Cent pro Stunde)
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