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Finger weg Herr Doktor!

Finger weg Herr Doktor!

Titel: Finger weg Herr Doktor!
Autoren: Richard Gordon
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letzten Foto in der Zeitung sahen Sie aus, als ob Sie das Cupfinale gewonnen hätten.«
    Der Dean sah beleidigt auf: »Es ist die Chirurgie der Zukunft.«
    »Aus meiner altmodischen Sicht sollten wir lieber alles daransetzen, die Chirurgie der Vergangenheit zu perfektionieren, mein lieber Dean! Was habe ich in der Chirurgie nicht kommen und gehen sehen, Modetorheiten wie bei Weiberröcken und Weiberhüten. Anfangs pumpten wir in unsere Patienten so viel flüssiges Paraffin, daß es bei allen Poren heraustrat. Dann machten wir uns daran, jedes Organ zu entfernen beziehungsweise zu ersetzen, sofern es mit der Lebensfähigkeit des Patienten vereinbar war, und das bei jeder Art von Beschwerden, von der Verstopfung bis zum Mutterkomplex. Danach erfanden wir die Wanderniere und machten im Bauch alles fest wie Deckfracht bei Sturm. Erinnern Sie sich an den septischen Herd, Dean? Ehrlich gesagt, ich habe nie einen gesehen, aber wahrscheinlich Hunderte der lästigen kleinen Dinger entfernt. Gegen Ende des Krieges glaubten wir, daß der septische Herd für alles mit Ausnahme der Schwangerschaft verantwortlich sei. Dann geriet er gänzlich in Vergessenheit, wahrscheinlich wegen des fürchterlichen Durcheinanders, das Nye Bevan mit seinem Staatlichen Gesundheitsdienst anrichtete...«
    »Wo sind Sie in London abgestiegen?« unterbrach der Dean plötzlich Sir Lancelots markige und fesselnde Erinnerungen.
    »Ich habe ein Zimmer im >Crécy< bestellt. Ich fahre nachher hin.« Sir Lancelot zog ein rot-weiß getupftes Taschentuch heraus und prustete hinein.
    »Ich würde Ihnen ja so gerne unsere Gastfreundschaft anbieten. Josephine und ich, wir wären hocherfreut, wenn Sie bei uns wohnten. Wirklich hocherfreut! Aber leider sind wir zum Bersten voll. Außer Miss MacNish haben wir derzeit noch ein schwedisches Au-pair-Mädchen, und das einzige überzählige Schlafzimmer benützen die zwei Kinder als Studierraum.«
    Sir Lancelot brummte: »Wie geht’s eigentlich Ihren Kindern?«
    Die Gesichtszüge des Deans, die bisher den angespannten Ausdruck eines Patienten hatten, der darauf wartet, daß der Zahnarzt mit dem Bohrer auf den Nerv trifft, verzogen sich zu einem stolzen Lächeln. »Muriel gewann in Anatomie die Goldmedaille und George bestand das zweite medizinische Bakkalaureat nach ein- oder zweimaligem Anlauf, wie ich gestehen muß; er ist bei Prüfungen nie ganz auf der Höhe, ein ziemlich nervöser Bursche. Jedenfalls arbeiten beide bereits hier im Spital.«
    Der Dean fingerte in seiner Rocktasche und stieß dabei auf ein zerknülltes Blatt Papier. Verwundert zog er es heraus und strich es auf der Unterlage glatt. Er las die paar Zeilen auf dem Zettel, faltete ihn hastig zusammen und steckte ihn wieder ein.
    »Welchem Umstand verdanken wir Ihren - äh, kurzen Besuch?« fragte er Sir Lancelot, der ihn mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
    Der Chirurg nahm eine Prise Schnupftabak. »Ich bin aus zwei Gründen hier. Erstens habe ich Husten...«
    »Oh, das tut mir aber leid.«
    »Nicht andauernd. Am Morgen ist er ärger. Kein blutiger Auswurf oder sonst was Bedrohliches. Er erwischte mich gegen Ende meiner Asienreise und hielt mich auch davon ab, den Tadsch Mahal zu besichtigen. Es schien mir besser, den Ausflug nicht zu gefährden, und im übrigen gibt es ja auch Ansichtskarten. Ich glaube nicht, daß ich etwas Ernstes habe, aber ein zäher Husten gehört untersucht.«
    »Da haben Sie recht.«
    »Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Sie sind Internist! Ich bin Chirurg und verstehe daher nichts vom Brustkasten. Mir dient er bei Operationen bloß als brauchbarer Abstellplatz für die Instrumente.«
    »Mein lieber Lancelot, natürlich werde ich für Sie tun, was ich kann.« Der Dean zeigte die Sympathie aller Mediziner für Kollegen, die peinlicherweise selbst erkrankten. »Kommen Sie doch nach dem Mittagessen zu mir hinauf. Ich werde Sie untersuchen und, falls notwendig, röntgen lassen. Es gibt sogar momentan ein freies Zimmer, das für die Prüfung am Montag hergerichtet wird.« Er rieb sich die Hände. »Diesmal werde ich unseren Quälgeistern richtig zusetzen. Viel zuviel Schlendrian hier in letzter Zeit, die haben nichts als Mädchen, Poker und elektrische Gitarren im Kopf.«
    »Da haben Sie ganz recht«, sagte Sir Lancelot freundschaftlich. »Der zweite Grund meines Kommens ist eine andere Beschwerde, an der die ganze Welt leidet: Langeweile.«
    Der Dean seufzte und trommelte mit den Fingern leicht auf den Schreibtisch. »Welch ein
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