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Fieber an Bord

Fieber an Bord

Titel: Fieber an Bord
Autoren: Alexander Kent
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Achterdecks, die Hände lose auf dem Rücken zusammengelegt, und versuchte, trotz der üblichen Spannung beim Anlaufen eines unbekannten Ankergrunds gelassen zu erscheinen.
    Wie still es war. Er musterte sein Schiff und fragte sich, wie wohl der Kommodore es beurteilen würde. Er hatte das Kommando über die Tempes t vor zwei Jahren in Bombay übernommen, als sie von der Marine in Dienst gestellt worden war.
    Beim Gedanken an dieses Datum lächelte er, und sein ernstes Gesicht wirkte dadurch jugendlicher. Wie heute, war auch damals sein Geburtstag gewesen. Denn an diesem 7.
    Oktober 1789, der ihm ein weiteres Einlaufen unter vielen, längst vergessenen brachte, wurde Richard Bolitho aus Falmouth im County Cornwall dreiunddreißig Jahre alt. Schnell warf er einen Blick zur anderen Seite hinüber, wo Thomas Herrick, der Erste Offizier der Tempes t und sein bester Freund, mit einer Hand die Augen beschattend, die Stellung der Rahen und die perspektivisch verkürzten, halbnackten Seeleute im Topp kontrollierte. Er fragte sich, ob Herrick an seinen Geburtstag denken würde. Hoffentlich nicht. In diesen Gewässern, wo Woche auf Woche feindseliges Klima und hartnäckige Windstillen einander folgten, war man sich der Vergänglichkeit der Zeit nur zu bewußt.
    »Noch fünf Minuten, Sir.«
    »Gut, Mr. Lakey.«
    Bolitho brauchte sich nicht umzusehen. In den zwei Jahren seines Kommandos auf der Tempes t hatte er die Stimmen und das Temperament aller länger unter ihm Dienenden kennengelernt. Tobias Lakey war der hagere, schweigsame Steuermann, geboren und aufgewachsen auf den rauhen Scilly-Inseln, die seiner eigenen Heimat Cornwall vorgelagert waren. Im Alter von acht Jahren war Lakey zur See gegangen; jetzt war er etwa vierzig. Nach all diesen Jahren auf Schiffen jedes Typs, vom Fischerboot bis zum Linienschiff, hatte die See ihm nur noch wenig Neues beizubringen.
    Bolitho versuchte, sich an die anderen Gesichter zu erinnern, die in den zwei Jahren von Bord verschwunden waren: durch Tod oder Verletzung, Krankheit oder Desertation; die Männer waren gekommen und gegangen wie die Gezeiten. Die jetzige Besatzung der Tempes t glich der anderer Schiffe, die nie einen britischen Hafen angelaufen hatten, und war so vielfältig wie die Küsten, die sie auf ihren Reisen sahen. Manche darunter waren Männer, die bei der Marine wirklich ihren Beruf gesucht hatten. Meist hatten sie auf Schiffen in England angeheuert und waren dann auf ein beliebiges anderes versetzt worden. Besser als die meisten anderen kannten sie die Verhältnisse in England, wo die sechs Jahre seit dem Krieg in manchem schlimmer gewesen waren als das Leben an Bord. Unter einem fairen Kommandanten und mit einer großen Portion Glück konnten sie ihren Weg machen. In ihrer Heimat dagegen, für die viele so lange und hart gekämpft hatten, gab es kaum Arbeit, und die Häfen waren nur zu oft von. Kriegsversehrten und menschlichem Strandgut überfüllt.
    Aber im übrigen war die Besatzung der Tempes t ein Schmelztiegel, der Franzosen und Dänen, mehrere Neger, einen Amerikaner und viele andere vereinte.
    Während Bolitho die Männer an Brassen und Fallen musterte, die Bootsbesatzung, die darauf wartete, seine Gig zu Wasser zu lassen, die Reihe der schwitzenden Marinesoldaten, die auf dem Hüttendeck eingetreten waren, sagte er sich, daß er zufrieden sein sollte. Wäre er in England gewesen, hätte er sich gegrämt und bemüht, wieder auf See zu kommen, ein neues Schiff zu erhalten, irgendein Schiff. So war die Situation nach dem Krieg gewesen. Seither hatte er bereits zwei Kommandos innegehabt, eine Korvette und seine geliebte Fregatte Phalarope .
    Als ihm die Undin e überantwortet und er nach Madras am anderen Ende der Welt geschickt worden war, empfand er Dankbarkeit, daß ihm das Schicksal der vielen Kapitäne erspart blieb, die sich täglich in den Gängen der Admiralität drängten oder in den Cafes warteten, in der Hoffnung auf eben die Chance, die er bekommen hatte.
    Das lag fünf Jahre zurück; von einem kurzen Besuch in England abgesehen, war er seitdem den heimischen Gewässern fern geblieben. Als er das Kommando über die Tempes t erhielt, hatte er erwartet, zum Befehlsempfang nach England gerufen zu werden. Vielleicht wurde er nach Westindien geschickt, zur Kanalflotte oder in die Gebiete, um die man sich mit Spanien stritt?
    Wieder blickte er zu Herrick hinüber und überlegte. Herrick äußerte seine Ansichten jetzt kaum noch, obwohl er sie einmal deutlich
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