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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende
Autoren: Eve Silver
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Als ob er das nicht schon wusste.
    „Eine Frau, Sir.“
    Den Blick auf den Balkon konnte er sich sparen. Bryn war nicht da, und er fühlte sich merkwürdig leer bei diesem Gedanken. Außerdem fragte er sich, wie sie es geschafft hatte, sich davonzustehlen, ohne ihn zu wecken.
    Er griff nach seiner Brieftasche auf dem Abstelltischchen hinter der Tür und gab dem Jungen zwei Zwanziger. „Könntest du sie beschreiben?“
    „Dunkles Haar, Pferdeschwanz. Rotes T-Shirt, knielange schwarze Shorts. Sie können auch dunkelblau gewesen sein. Da bin ich mir nicht ganz sicher.“
    Das genügte. Natürlich war es Bryn. Sie war also diesen Morgen schon fleißig gewesen. „Wie spät ist es eigentlich?“, fragte Lokan den Pagen.
    „Vier Uhr, Sir.“
    … am Nachmittag , korrigierte Lokan sich im Stillen. Er gab dem Jungen noch einen Zwanzig-Dollar-Schein und nahm den Karton entgegen.
    Als der Page gegangen war, fühlte Lokan sich alleine in seiner Hotelsuite. Das Gefühl ärgerte ihn. Es gab dafür nicht den geringsten Grund. Großartiger Sex war großartiger Sex, sonst aber auch nichts. Was war in ihn gefahren, dass er auch nur für eine Sekunde annehmen konnte, es sei mehr gewesen? Was hatte er denn erwartet? Dass sie endlos zusammenbleiben würden? Wobei endlos für ihn etwas anderes bedeuten würde als für sie.
    Lokan schnupperte an dem Karton. Vanille, Schokolade, vielleicht auch eine Spur Kokosnuss. Er zog an der Schleife, sie fiel zur Seite und glitt vom Deckel. Als er ihn hochhob, entdeckte er etwa ein Dutzend Gebäckstücke – mit Schokoladenflocken, Kokosraspeln, weißer Schokolade und Macadamianüssen. Alle verführerisch duftend und sogar noch ein bisschen warm.
    Obendrauf lag eine schlichte weiße Karte, auf der in einer geschwungenen weiblichen Handschrift nur zwei Wörter standen: Danke schön .
    „Ja, leck mich doch …“, murmelte er vor sich hin. Er war restlos bedient von dieser Abfuhr, denn für ihn war es noch nicht vorbei. Hier ging es nicht allein um den Sex, der in grandioser Weise alle Erwartungen übertroffen hatte. Es hatte ihm gefallen, ihrem dahinplätschernden Geplauder zuzuhören. Er mochte es, wie sie roch. Er mochte an ihr, dass sie ihn zum Lächeln brachte. Er mochte … sie.
    Zerstreut nahm er ein Stück des Gebäcks, biss hinein und hielt im Kauen inne. Er schloss genießerisch die Augen. Das Gebäck zerging ihm auf der Zunge. Gut, verdammt gut. Nur einen Moment später hatte er das Stück vertilgt und aß das nächste und dann noch eines. Mit jedem Bissen wuchs in ihm das Gefühl, dass er hinters Licht geführt worden war. So phänomenal diese Kekse waren, sie waren doch kein adäquater Ersatz für die Frau, die sie gebacken hatte. Wie zum Teufel hatte sie es fertiggebracht, sich aus dem Staub zu machen, ohne dass er etwas davon gemerkt hatte? Wie hatte er sie nur gehen lassen können?
    Lokan fasste einen Entschluss. Die Sache war für ihn noch nicht erledigt. Er würde sie jagen. Und er würde sie finden.
    Er war ein Seelensammler. Es dürfte kein Problem für ihn sein, eine sterbliche Frau aufzuspüren.

3. KAPITEL
    Ich habe dich vor denen verborgen gehalten, die auf Erden sind .
nach dem Ägyptischen Pfortenbuch
    Detroit, Michigan Gegenwart

    K ein Licht, Baby.“ Bryn zog die Hand ihrer Tochter sanft von der Nachttischlampe weg. Es war eine Lampe mit einem rosa Schirm, auf dem kleine weiße Kätzchen aufgedruckt waren. Sie sah genauso aus wie eine andere, die sie beim letzten Mal hatten zurücklassen müssen. Ein Glücksgriff auf einem Garagen-Flohmarkt. Aber ob dieses Glück wirklich von Dauer war, war noch fraglich. Wie sich die Dinge bisher abzeichneten, konnte es gut sein, dass sie auch dieses Exemplar zurücklassen mussten.
    „Aber ich mag nicht, wenn es dunkel ist“, flüsterte Dana.
    „Ich weiß.“ Ein unerträgliches Schuldgefühl lastete wie ein Stein auf Bryns Brust. Sie überspielte ihre Nervosität, indem sie Dana einen Kuss auf die Hand gab. „Aber schau mal, der Mond scheint so hell, da kann ich sogar deinen rosa Nagellack sehen.“ Der Mond schien wirklich hell. Viel zu hell. Er hing wie ein riesiger Lampion tief am Himmel und warf einen Lichtstrahl durch den Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen. Mist. Gerade heute Abend wären ihr ein paar dicke Wolken lieber gewesen.
    Dana stand seltsam regungslos neben ihrem Bett. Sie sah in diesem Spiel aus Licht und Schatten aus wie eine Puppe mit goldenen Haaren. War es wirklich erst ein paar Monate her, dass sie im
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