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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende
Autoren: Eve Silver
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überlegt?“
    „Das habe ich.“ Lokans erster Blick ging zu Dagan. Es war eine wortlose Frage, die er an ihn richtete. Er wollte ihm die Entscheidung überlassen. Dagan stellte sich neben ihn.
    Mit einem Laut der Entrüstung stürzte Sutekh nach vorn. Für einen Moment zeigte er deutlich seine Emotionen. Das Gesicht war von Schmerz gezeichnet.
    „Ich habe mich entschlossen, einen meiner Söhne für ein höheres Ziel zu opfern. Aber ich bin nicht bereit, alle Söhne zu verlieren.“ Auch wenn sich Sutekh alle Mühe gab, im Ton kühl und sachlich zu bleiben, verriet er sich schon allein dadurch, dass er diese Befürchtung überhaupt aussprach. Warum er den Verlust seiner verbliebenen Söhne so fürchtete, ob es aus echter Zuneigung geschah oder einfach weil er nicht aufzugeben bereit war, was ihm gehörte, blieb dahingestellt.
    Währenddessen richtete Lokan seine stumme Frage auch an Malthus und Alastor. Als sie schließlich alle drei bei ihm versammelt waren, richtete er sich wieder an Sutekh. „Das sind die Seelen, die ich von dir zu deiner Bestrafung fordere: Dagan Krayl, Malthus Krayl und Alastor Krayl. Sie sollen mir gehören.“
    Für einen winzigen Augenblick verspürte Lokan die Genugtuung, erfolgreich Rache an seinem Vater genommen zu haben, der nun alle seine Söhne verloren hatte. Doch dasTriumphgefühl verflüchtigte sich gleich wieder. Dieser Sieg über Sutekh war ihm noch nicht genug, denn immer noch klaffte ein gewaltiges Loch in seinem Herzen, spürte er eine Leere, von der er glaubte, dass es nichts gab, um sie wieder zu füllen.
    „Wartet“, ließ sich Osiris erneut vernehmen. „Es gibt ein weiteres Vergehen, dessen Sutekh sich schuldig gemacht hat. Denn der Verlust deiner Gefährtin ist eindeutig ihm anzurechnen. Wähle eine weitere Seele, Lokan Krayl.“
    Der Verlust seiner Gefährtin. Bryn. Die Worte taten unendlich weh.
    Lokan atmete schwer. Sein Blick fiel auf Kai Warin. Das wäre eine politisch kluge Entscheidung. Kai war mit der Tochter von Asmodeus liiert. Wenn er auf Lokans Seite wechselte, bestand die Möglichkeit, dass Asmodeus quasi als sein Schwiegervater das auch tat. Außerdem war er sich Kais Loyalität sicher, denn er hatte seinen Brüdern schon früher geholfen, wichtige Informationen weitergegeben und dabei alles riskiert.
    Aber Lokan wollte seine Entscheidung nicht über Kais Kopf hinweg treffen, deshalb verfuhr er so wie bei seinen Brüdern und hielt den Blick in einer stummen Frage auf ihn gerichtet. Kai seinerseits blickte zu Asmodeus hinüber, der aber vom Gang der Ereignisse derart beansprucht war, dass er überhaupt nicht reagierte. So trat Kai schließlich auch an Lokans Seite und stellte sich neben Dagan.
    „So fordere ich auch diese Seele zu meiner Entschädigung“, sagte Lokan. „Kai Warin soll ebenfalls mir gehören.“
    Lokan wusste, dass diese Wahl seinen Vater hart treffen musste. Ihm waren nun nicht allein seine Söhne genommen worden, sondern auch derjenige, den er gerade in Gahijis Nachfolge zum neuen zweitmächtigsten Mann in seinem Reich bestimmt hatte. Aber das vermochte Lokan nicht vollends zu befriedigen. Es blieb noch immer der unersetzliche Verlust, der ihn quälte.
    „Das war’s dann wohl“, sagte er zu Sutekh.
    Sein Vater starrte ihn an und neigte den Kopf. Sutekh blieb noch immer die mächtigste Gottheit der Unterwelt. Daran warnicht zu rütteln. Dennoch besaß Lokan etwas, das ihm abging, was er allen Göttern hier voraushatte. Er konnte sich als einziger Gott frei in der Oberwelt bewegen.
    Jedoch erlosch die Genugtuung, die er darüber empfand, so schnell wie die Flamme eines Streichholzes. Was hatte all das für einen Wert, wenn Bryn nicht da war?
    Gerade wollte er sich resigniert abwenden, als Osiris ihn zurückrief. „Lokan Krayl, einen Augenblick noch.“
    Lokan hob den Kopf und setzte sein Pokerface auf. Jetzt ging es los. Die Verhandlungen, das Feilschen um Verbündete, die ganze verdammte Unterwelt-Politik. Hatte er die wirklich früher einmal mit Hingabe betrieben? Kaum vorstellbar. Vielleicht kam es eines Tages wieder dazu, dass er dieses Geschäft lieben konnte. Vielleicht konnte es sogar dazu beitragen, die Leere wenigstens ein Stück weit auszufüllen, die er in sich fühlte.
    „Hier vor Zeugen biete ich dir ein Bündnis an“, fuhr Osiris fort. „Ich reiche dir die Hand zur Freundschaft …“ Osiris verstummte für einen Moment, und Lokan hätte schwören können, dass ein Lächeln über Osiris’ sonst unbewegtes Gesicht
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