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Feuersteine

Feuersteine

Titel: Feuersteine
Autoren: Chris P. Rolls
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erotische Fantasien, in denen sie nebeneinanderlagen, sich berührten. Zärtlich, liebkosend, einander streichelnd.
    Aischa spürte ihre Beine zucken. Ja, sie hatte sich mehr ausgemalt, zunächst unwissend, was und wie zwei Frauen Sex miteinander haben konnten. Sie hatte sich nie zuvor darüber Gedanken gemacht. Es war Frank gewesen, der ihr unwissentlich die Tür in diese neue Welt eröffnet hatte: Sein Vorschlag zu einem Dreier mit einer hübschen Studentin.
    Sie hatte gezögert, war von seinem Wunsch abgeschreckt, verwirrt gewesen. Die junge Frau hatte in ihrer Wohnung gestanden, sie angelächelt und etwas in ihrem Lächeln hatte Aischa an die Frau auf dem Weihnachtsmarkt erinnert. Genug, um sie letztlich einwilligen zu lassen. Sie hatte es nicht bereut. Der Sex mit ihr und Frank, in dem dieser, zumindest für Aischa, immer mehr zur Nebenfigur geworden war, hatte ihre verborgenen Bedürfnisse endlich befriedigt.
    Sie hatte noch ein wenig gebraucht, um sich darüber klar zu werden, dass sie offenkundig auch Frauen begehren konnte. Bisexuell.
    Nachdem Frank gegangen war, hatte sie jedoch eine Weile gebraucht, sich dieser neuen Seite zu öffnen. Zunächst war sie in entsprechende Lokale gegangen, hatte andere Frauen getroffen, gelernt zu flirten, zu küssen, sich Stück für Stück mehr getraut. Dennoch waren es alles oberflächliche Beziehungen geworden, selten mehr als One-Night-Stands. Sie vermisste etwas, fand keine vollständige Erfüllung, denn dieses Gesicht, ihre Augen begleiteten sie, wo immer sie war, mit wem auch immer sie schlief.
    Es war eine Suche geworden. Nach ihr. Nach jenem besonderen Kribbeln, jener Gänsehaut, dem aufgeregten Pochen ihres Herzens, als sie sich begegnet waren. Eine Sucht, die sie seit zwei Jahren auf jeden erreichbaren Weihnachtsmarkt trieb, immer auf der Suche nach ihr.
    Frank hatte diese Besuche als Spinnerei abgetan und war natürlich nie mitgekommen. Sie hätte ihn auch nicht gerne dabei gehabt. Er hätte nichts verstanden, nie begriffen, warum sie über die Märkte ging, getrieben von ihrer eigenartigen Sehnsucht.
    Aischa hatte keinen Anhaltspunkt, keinen Namen. Sie schlenderte jeden freien Tag, jedes Wochenende, wenn sie daheim war und nicht irgendwo auf der Welt für ihre Firma Kunden anwarb, Projekte vorstellte und Seminare besuchte, über einen anderen Markt, sah, atmete, lauschte, fühlte und schnupperte die Weihnachtsstimmung um sich herum. Ihre Sehnsucht war immer weiter gewachsen. Seit Frank gegangen war umso stärker.
    Fernab der weihnachtlichen Düfte, wenn sie daheim in ihrer eleganten Wohnung war, wenn andere Klänge, als Weihnachtsmusik aus ihrer Anlage kamen, wenn der nüchterne, rationale Verstand, der sie die Karriereleiter in schwindelerregender Zeit hinaufklettern ließ, überhand gewann, gestand sie sich ein, wie dumm ihr Unterfangen war. Sie wusste nichts von dieser Frau. Nicht einmal, ob sie ähnlich empfand wie sie. Da waren nur ihre Blicke gewesen und vielleicht war es reines Wunschdenken, welches sie vorantrieb.
    Seufzend warf Aischa den leeren Becher in einen Mülleimer. Es dämmerte und die weihnachtliche Beleuchtung versetzte die Welt des kleinen Marktes in himmlische Sphären voller Sterne und Sternschnuppen. Es war zu viel, um noch schön zu sein, gehörte jedoch dazu, wie Weihnachtsartikel im September. Es war ein Fest, welches zelebriert wurde.
    Aischa schlenderte an den Ständen entlang, fand einen mit handgefertigten Seifen und erwarb eine besonders schöne, nach Rose und Zitrone duftende. Sie würde sich heute Abend in ihrer Badewanne mit genau diesem Duft verwöhnen, morgen Früh ging ihr Flieger nach Frankfurt und sie kehrte zurück in die hektische Welt. Ihre eigentliche Welt. Sie sollte wohl langsam heimfahren.
    Fröstelnd zog sie den Kragen ihres Mantels höher und rieb ihre Finger aneinander. Vor ihr lag eine Gasse aus unscheinbareren Ständen, sie hatte den lauten, grellen Bereich des Marktes hinter sich gelassen und ihr Herz schlug unwillkürlich schneller. Hier waren die Handwerksstände, die sie interessierten.
    Ein Papierschöpfer, dessen kunstvolle Werke an Wäscheklammern auf Leinen aufgehängt hingen, ein Holzschnitzer, dessen Figuren überaus echt wirkende Gesichtsausdrücke trugen und … Aischa öffnete leicht den Mund, sog erwartungsvoll die kühle Luft ein. Dort gab es einen kleinen Stand, der Schmuck in seiner Auslage hatte.
    Steine. Viele Steine. Geschliffen, eingefasst, an Ketten und Lederbändern.
    Ihr Stand. Aischa
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