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Feuersee

Titel: Feuersee
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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seinen
Erinnerungen.
    »Eines Tages wird sein Sohn für ihn
dasselbe
tun«, flüstere ich hoffnungsvoll, aber der Schatten,
der über unserer Zukunft
liegt, will nicht von meinem Herzen weichen.
    Vorahnung? Innere Stimme? Ich glaube nicht an
solche Dinge, denn sie setzen die Existenz einer höheren Macht
voraus, die mit
unsichtbarer Hand in die Belange der Menschen eingreift. Doch ich
weiß – mit
derselben Gewißheit, die mir sagt, daß er die
Heimat seines Vaters und seiner
Vorväter verlassen muß –, daß
Edmund der letzte König von Kairn Telest sein
wird.
    Ich bin dankbar für die Dunkelheit. Sie verbirgt
meine Tränen.
    Auch der König schweigt; unsere Gedanken bewegen
sich auf denselben düsteren Bahnen. Er weiß es.
Vielleicht liebt er ihn jetzt.
Jetzt, da es zu spät ist.
    »Ich erinnere mich an den Koloß,
Vater«, sagt
Edmund hastig. Er deutet das Schweigen des alten Mannes als Ausdruck
des
Mißfallens. »Ich erinnere mich an den Tag, an dem
dir und Baltasar zum
erstenmal der Gedanke kam, er könne
verlöschen«, fügte er halblaut hinzu.
    Die Tränen sind auf meinen Wangen gefroren, das
erspart mir die Mühe, sie wegzuwischen. Edmunds Worte haben
auch mich auf den
Pfad der Erinnerung geführt. Ich folge ihm im Licht
– dem schwindenden Licht …
----

Kapitel 1
Kairn Telest,
Abarrach
    Der Ratssaal des Königs von Kairn Telest ist
voller Leute. Der König tagt mit dem Rat, der sich aus
prominenten Bürgern
zusammensetzt, deren Vorväter bereits diese Position
innehatten, als unser Volk
vor Jahrhunderten Kairn Telest besiedelte. Obwohl Themen von
allergrößter
Wichtigkeit auf der Tagesordnung stehen, verläuft die Sitzung
ruhig und
geordnet. Jedes Mitglied lauscht aufmerksam und respektvoll den Worten
des
jeweiligen Sprechers. Auch Seine Majestät.
    Der König erläßt keine Edikte,
gibt keine
Proklamationen heraus, erteilt keine Order. Über alle Fragen
wird von der
Ratsversammlung abgestimmt. Der König ist Gleicher unter
Gleichen, er wirkt
schlichtend, argumentiert und gibt die entscheidende Stimme ab, wenn
keine
Mehrheit zustandekommt.
    Wozu braucht man dann überhaupt einen Monarchen?
Die Bevölkerung von Kairn Telest hat von alters her ein
ausgeprägtes Bedürfnis
nach Ruhe und Ordnung. Schon zu Anfang unserer Geschichte stand fest,
daß wir
uns irgendeine Art von Regierung geben wollten. Wir bedachten unsere
Gesellschaftsstruktur, unsere Situation. Genaugenommen waren wir eher
eine
Familie als eine Gemeinschaft, und wir kamen zu dem Schluß,
die Herrschaftsform
der Monarchie, mit einem König als Vaterfigur in Verbindung
mit einem
stimmberechtigten Senat, sei für uns die geeignetste.
    Wir haben nie Grund gehabt, die Entscheidung
unserer Vorfahren zu bedauern. Die erste gewählte
Königin gebar eine Tochter,
die willens und fähig war, das Werk ihrer Mutter
fortzuführen. Diese Tochter
gebar einen Sohn, und so folgte eine Generation der nächsten
auf den Thron, bis
zum heutigen Tag. Das Volk von Kairn Telest ist zufrieden und sieht
keinen
Grund zur Klage. In einer Welt, die sich vor unseren Augen unaufhaltsam
verändert, ohne daß wir etwas dagegen tun
können, ist unsere Monarchie ein
starker und beruhigender Einfluß.
    »Dann ist der Pegel des Flusses noch nicht
wieder gestiegen?« erkundigt sich der König und
blickt von einem sorgenvollen
Gesicht zum anderen.
    Die Ratsmitglieder sitzen um einen großen Tisch,
an dessen Stirnseite der König Platz nimmt. Sein Stuhl ist
prächtiger, doch er
steht nicht auf einer Empore, sondern auf einer Höhe mit den
übrigen.
    »Ganz im Gegenteil, Majestät, er ist weiter
gesunken. Zumindest war es gestern so, als ich den Wasserstand
prüfte.«
Der Obmann der Bauerngilde äußert sich mit dumpfer,
niedergeschlagener Stimme.
»Heute bin ich nicht am Fluß gewesen, weil ich
früh aufbrechen mußte, um
rechtzeitig im Palast zu sein, doch ich glaube kaum, daß
während der Nacht eine
Veränderung zum Besseren eingetreten ist.«
    »Und die Ernte?«
    »Wenn die Felder nicht innerhalb der
nächsten
fünf Zyklen Wasser bekommen, ist das Getreide verdorben.
Glücklicherweise steht
das Kairngras ausgezeichnet – es scheint auch unter den
ungünstigsten
Bedingungen zu gedeihen. Was das Gemüse betrifft, so haben wir
die Knechte
angewiesen, Wasser in die Gärten zu tragen und die Pflanzen zu
gießen. Es war
ein Versuch, aber er ist fehlgeschlagen. Wasser zu tragen ist eine
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