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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen
Autoren: Jeanine Krock
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ich Ihnen helfen?« Der Verkäufer war aufgetaucht. Mit einem Tuch tupfte er sich den Schweiß von der Stirn und sah sie hoffnungsvoll an. Offenbar hatte er vergessen, wie Mila vor kaum einer Stunde grußlos hinausgestürzt war.
    »Vorhin ist mir eine Schatulle aufgefallen. Stobwasser , wenn ich mich nicht täusche. Ich würde sie mir gern noch einmal ansehen.«
    »Davon habe ich zwei. Sie stehen dort drüben in der Vitrine.«
    Mila verschwieg ihm, dass sie die Schatulle bei ihrem ersten Besuch ziemlich versteckt in einem Regal weiter hinten im Raum entdeckt hatte. Ein Blick in das Glasschränkchen, auf das er nun wies, bestätigte ihren Verdacht.
    »Hier ist sie nicht. Auf dem Deckel befand sich ein schlichtes Ornament, und auf der Innenseite war Aphrodite abgebildet, wie sie gerade den Fluten entsteigt.« Zu Florence gewandt sagte sie: »Der Typ ist mir zuvorgekommen.«
    Nachdenklich kratzte sich der Verkäufer am Kinn. »Ich weiß leider nicht, was Sie meinen, Miss. Ein solches Stück hatte ich noch nie. Glauben Sie mir, ich könnte mich daran erinnern. Sind sie sicher, dass es nicht eine dieser beiden Schnupftabakdosen war?«
    Jetzt mischte sich Florence ein: »Aber an diesen enorm gut aussehenden dunkelhaarigen …«
    »Blond, Flo. Er war blond«, sagte Mila lachend.
    »Sie sind heute meine ersten Kunden.« Er hob kraftlos die Schultern, was wohl Bedauern ausdrücken sollte. »Bei diesem Wetter interessiert sich niemand für Antiquitäten.«
    »Nichts für ungut. Bitte entschuldigen Sie …« Weiter kam Mila nicht, denn Florence holte eine Visitenkarte hervor und drückte sie ihm in die Hand.
    »Wenn es Ihnen noch einfällt, dann melden Sie sich einfach. Wir sind in den nächsten Wochen in Stanmore House zu finden. Komm, meine Liebe, ich will Lady Margaret nicht warten lassen.« Damit drehte sich Florence um und rauschte hinaus.
    Mila schenkte dem verdutzten Mann noch ein schnelles Lächeln und folgte ihrer Freundin, die erst stehen blieb, als sie ihr Auto erreicht hatte.
    »Was war denn los?«, fragte sie.
    Während sie einstieg, schimpfte Florence vor sich hin. »Das ist mir schon so oft passiert. Diese Händler tun so, als wüssten sie nicht, wovon man redet, und verscherbeln dann die schönsten Stücke an irgendwelche Banausen …«
    »Anstatt sie dir zu verkaufen, um sie in den Wohnungen irgendwelcher anderer Banausen aufzustellen.«
    Sie sahen sich an und lachten.
    Nachdem sie in Ivycombs idyllische Hauptstraße eingebogen war, fuhr Florence fort: »Tut mir leid, Liebes. Ich fürchte, dein Traummann hatte es wirklich nur auf Antiquitäten abgesehen. Aber was soll ’s, du bist ohnehin gebunden … das bist du doch?«
    »Noch hat er mich nicht gefragt.« Mila bemühte sich um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck.
    »Das wird er, glaube mir! Ich kenne die Männer. Er wartet nur auf die passende Gelegenheit.« Sie kicherte. »Und was würde sich wohl eher eignen als ein verwunschenes Herrenhaus?«
    »Florence! Ich weiß noch gar nicht, ob ich das will.«
    »Natürlich willst du. Was kann dir Besseres passieren, als von einem ordentlich verdienenden Angetrauten bekocht und begehrt zu werden?«
    Mila mochte Anthony, aber von der großen Liebe hatte sie andere Vorstellungen als nur eine freundschaftliche Interessensgemeinschaft. Bedingungsloses Vertrauen, eine Art Seelenverwandtschaft und selbstverständlich auch unwiderstehliche Anziehungskraft gehörten dazu. Doch davon träumte ein Mädchen wie sie nur.
    Vielleicht hat sie recht , dachte Mila, dabei kam ihr ein neuer Gedanke: »Hast du etwa deshalb dafür gesorgt, dass ich dort wohnen muss, während du nach Belieben kommen und gehen kannst?«
    »Wo denkst du hin? Ich habe nur dein Wohl im Auge.«
    »Aha?«
    »Natürlich. Und jetzt sag mir bitte, wo ich langfahren soll. Mein Navi bildet sich ein, dass hinter der Brücke dort vorn die Welt zu Ende ist.«
    Zwanzig Minuten später, zwischen Steinmauern und mannshohen Hecken, war Mila geneigt, der unverändert freundlich klingenden Stimme aus dem Navigationsgerät recht zu geben. Sie hatten tatsächlich das Ende der Welt erreicht – wenn auch ein besonders ansehnliches. Gerade wollte sie vorschlagen, in Stanmore House anzurufen, um sich eine Wegbeschreibung geben zu lassen, da öffnete sich plötzlich die schmale Straße vor ihnen und führte sie eine Anhöhe hinauf. Oben angekommen, blickten sie über eine sanft geschwungene Landschaft, die sich weit nach Westen erstreckte. Mila kniff die Augen zusammen und
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