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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen
Autoren: Jeanine Krock
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natürlich versäumt, ausreichend Geld zurückzulegen. Also biss Mila die Zähne zusammen und nahm es wortlos hin, wie eine unbedeutende Angestellte behandelt zu werden.
    Lady Margarets Stimme riss sie aus ihren finsteren Gedanken. »Wir sollten mit der Führung beginnen, bevor Lord Hubert zurückkehrt. Hubsie schätzt keine Fremden in seinem Haus, und wir wollen ihn nicht in seiner Ruhe stören, nicht wahr?«
    Das klang in Milas Ohren beinahe wie eine Drohung und angesichts der bevorstehenden Umbau- und Renovierungsarbeiten zudem ziemlich absurd.
    Sie sah sich in der harmonisch gestalteten Eingangshalle um. Hier gab es nicht viel zu tun. Die Farben sahen frisch aus, und wenn sie sich auch nicht mit dem klassischen Stil anfreunden konnte, so musste sie zugeben, dass das Herrenhaus von fachkundiger Hand entworfen worden war. Die Halle wirkte längst nicht so einschüchternd wie in anderen Anwesen, sondern einladend. Ein stilvoller Leuchter schien in der Luft zu schweben und tauchte die dunkel glänzenden Stufen der geschwungenen Treppe in warmes Licht. Problemlos konnte sie sich vorstellen, wie die Familie nach einem langen Tag gern hierher zurückkehrte.
    Ihre Freundin beeilte sich zu versichern, man werde so rücksichtsvoll wie möglich arbeiten, um Lord Hubert nicht zu behelligen. »Gewiss hält er sich um diese Zeit ohnehin meistens in London auf«, sagte sie höflich.
    »Warum sagen Sie das?« Lady Margaret blieb so abrupt stehen, dass die Freundinnen erschrocken zurückprallten. Dann lachte sie und wedelte mit der Hand, als wollte sie unliebsame Gedanken vertreiben. »Natürlich. Hubsie trägt eine große Verantwortung, und es ist – wie nennt ihr das hier? – Saison, oder?«
    »Genau, wer wäre dieser Tage nicht lieber in der Stadt? Aber man hat nicht immer die Wahl, nicht wahr?«, flötete Florence.
    Mit Stadt meinte sie zweifellos London. Mila fragte sich, ob der britische Adel wirklich noch den alten Rhythmus lebte, der das Jahr in eine große und eine kleine Saison teilte. Demnach wäre jetzt der Höhepunkt der großen Saison erreicht.
    »Kommen Sie, meine Damen, ich zeige Ihnen die Zimmer«, unterbrach Lady Margaret ihre Überlegungen.
    Und damit tauchte Mila in eine Welt ein, deren vornehme Wohnlichkeit von Meisterhand komponiert worden war. Sie vermisste die in ihrer Vielzahl oftmals erdrückende Pracht mehr oder weniger wertvoller Gemälde und Antiquitäten nicht. Doch es war auffällig, dass die üblichen Dekorationsgegenstände eines Adelssitzes hier fehlten. Äußerst erstaunlich für den Wohnsitz einer Familie, die ihren Stammbaum mindestens bis zu den Normannen zurückverfolgen konnte. Als sie sich danach erkundigte, erzählte die Viscountess von dem Feuer, das vor einigen Jahren Stanmore House heimgesucht und es fast vollständig zerstört hatte. Was nicht den Flammen zum Opfer gefallen sei, das habe das Löschwasser verwüstet, erklärte sie. Die Bibliothek war vernichtet, von den Familiengemälden existierten nur noch wenige, und einzig die Räume des Viscounts im Ostflügel hatte man rekonstruieren können.
    Die Tour endete in einem hübschen Salon, wo ein gedeckter Tisch mit Erfrischungen bereitstand. Offenbar wurde von Florence erwartet, dass sie den Tee einschenkte, was sie auch mit beneidenswerter Geschicklichkeit tat.
    Mila nahm ihre Tasse entgegen, trank einen Schluck und spürte, wie große Ruhe über sie kam. Durch die hohen Fenster sahen sie einen herrlichen Garten, der in der Ferne unauffällig in die naturbelassene Landschaft überging, die dann allerdings überraschend früh den Horizont traf. Als sie gerade überlegte, ob man aus der oberen Etage das Meer hinter der Steilküste sehen würde, riss Florence’ Stimme sie aus ihren Gedanken.
    »Und wann werden Sie uns die zu renovierenden Räume zeigen?«
    Porzellan klirrte. Lady Margaret stellte ihre Teetasse ab und sah gekränkt auf. »Das habe ich doch gerade getan. Sagen Sie nicht, dass Ihnen diese primitive Einrichtung auch …« Sie verstummte.
    »Aber ja!«
    Eilig schaltete sich Mila ein, der ein Blick ins Gesicht ihrer Freundin genügte, um zu ahnen, wie deren Entgegnung ausfiele. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie einen lukrativen Job sausen ließ, weil ihr der Geschmack des Kunden nicht zusagte.
    »Da kann man noch viel machen, nicht wahr, Florence?«, sagte sie mit Nachdruck.
    Sicherheitshalber setzte sie zusätzlich ihr spezielles Lächeln ein, von dem Anthony behauptete, es sei geeignet, seine Knochen schmelzen zu
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