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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau
Autoren: Federica de Cesco
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modischen Anzug, aus leichter, knitterfreier Wolle, ein einfarbiges Hemd. Krawatten hatte er nie gemocht, dafür trug er dünne Seidentücher im Kragenausschnitt, stets den Farben seiner Kleidung angepaßt.
    »Wie geht es deiner Mutter?«
    Er sagte »deiner Mutter«, als ob er dem Wort nachlauschte, und seine Mundwinkel zuckten leicht.
    »Gut, nehme ich an.«
    »Siehst du sie manchmal?«
    »Selten. Carmilla hat Seelenzustände, und ich habe zu tun.«
    »Ach, Dio!« seufzte mein Vater, »das wird sich wohl nie bessern.«
    »Es wird schlimmer werden. Sie kommt in die Wechseljahre.«
    Er schmunzelte geistesabwesend; er hatte sie geliebt, und sein weiches Herz dachte an sie mit Nachsicht. Er wollte auch nicht wissen, ob die Art, wie sie lebte, gut oder schlecht war. Daß ich über sie spottete, berührte ihn, obwohl er sich nichts anmerken ließ. Aber ich kannte ihn gut.
    Jetzt kehrte sein Blick zu mir zurück. Dieser Blick war mir vertraut. Er betrachtete mich wie ein Mann, der eine Frau taxiert und attraktiv findet.
    »Hübsch siehst du aus. Und du duftest nach ›Bois des Iles‹.«
    »Du hast eine feine Nase. Ich habe mich etwas zurechtgemacht. Für dich.«
    »Ich bin geschmeichelt. Aber es ist nicht nur das. Du kleidest dich gut.
    Schlicht, aber erstklassig. Du hast deinen Stil gefunden.«
    »Ich bin jetzt neunundzwanzig, Papa.«
    Er verbarg seine Lippen hinter der vorgehaltenen Zeitung. »Che dice, Bambina! Willst du, daß ich mich wie ein alter Mann fühle? Komm! Wir gehen etwas trinken.«
    Neben der Halle befand sich eine Bar. Als er vorausging, bemerkte ich, daß ich ein paar Zentimeter größer war als er. Hätte ich hohe Absätze getragen, wäre das aufgefallen. Aber ich trug nie hohe Absätze.
    Wir setzten uns in eine Polstergruppe. Der Kellner stellte Salzstangen und Mandeln auf den Tisch. Mein Vater bestellte einen Martini, ich einen Capuccino. Der Flug hatte mich etwas träge gemacht. Ich lächelte meinem Vater schläfrig zu.
    »Erzähl mir von dir.«
    Er bot mir eine Zigarette an, die ich ablehnte. Er hatte das Rauchen mal aufgegeben und es sich wieder angewöhnt, als er merkte, daß er Fett ansetzte. Jetzt rauchte er sehr vernünftig, nicht mehr als fünf oder sechs Zigaretten am Tag.
    »Was soll ich schon erzählen. Italien steckt in einem Sumpf, aber den ertragen wir mit heiliger Geduld.«
    Durch seine Zeitung hatte mein Vater zur Politik ein abgeklärtes Verhältnis. Es war keine politische Indifferenz, wie sie in manchen Schichten des italienischen Bürgertums anzutreffen ist, sondern eher eine Weitsicht, das Gefühl, daß humane Beziehungen wichtiger waren als politische Streitereien. Daß ich gut zuhörte, war meinem Vater bekannt.
    Und da er sich gerne reden hörte, verstanden wir uns bestens.
    »Wir Italiener haben eine lockere Auffassung von Pflichterfüllung.
    Beamtenbestechung und Steuerhinterziehung sind für uns Kavaliersdelikte.
    Das ist unerquicklich, aber natürlich. Es ist zu schwierig, solchen Versuchungen zu widerstehen. Wozu auch? Auch mit Wahrheit nehmen wir es nicht so genau. Und außerdem, was ist denn die Wahrheit? Nirgends hat die Wahrheit so ein kurzes Leben wie in Italien: Man sieht sie noch gerade vorbeihuschen und – via! «
    Mein Vater bewegte beim Sprechen die Hände, so wie es viele Italiener tun, aber seine Gebärden waren niemals hart oder heftig. Die Gebärdensprache gab seinen Worten, auch wenn sie leichtfertig gesprochen wirkten, etwas Gewichtiges. Er hatte schöne Hände, mit kräftigen Handrücken und schmaler werdenden Fingern. Ich hatte schon immer auf die Hände der Männer geschaut. Vielleicht, weil mir die meines Vaters so gefielen. Ich lächelte still. Mein Vater nahm einen Schluck Martini.
    »Aber ich mag nicht über Politik reden. Ich rede täglich über Politik, und im Grunde mag ich mich immer weniger damit beschäftigen. Sie ist mir gleichgültig geworden. Ich gehe jetzt lieber in die Scala. Ich glaube, ich werde alt.«
    »Das wirst du nicht, solange du den Frauen nachstarrst.«
    Mein Vater wandte die Augen von der Blondine ab, die sich elegant auf einen Barhocker hievte, und schmunzelte.
    »Ich weiß nicht, was das Paradies ist. Aber die Hölle wäre eine Welt ohne Frauen.«
    »Sie hat einen schönen Hintern«, stellte ich fest.
    Mein Vater musterte den betreffenden Körperteil mit Kennerblick.
    »Auch ihre Schenkel können sich noch sehen lassen.«
    »Mit wem lebst du jetzt zusammen?« fragte ich.
    »Mit einer Laura«, erwiderte er, ohne den Blick von
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