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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau
Autoren: Federica de Cesco
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der Blondine zu lassen. »Sie arbeitet bei Pommelato. Halbtagsweise. Sie mag Opern, aber leider hat sie eine Vorhebe für Pavarotti. Aber wie weise ist die Natur, daß sie uns stets einen kleinen Fehler sehen läßt, der uns an die Ungefälligkeit des Lebens erinnert.« Sein Blick kehrte zu mir zurück. »Und du? Hast du jemanden getroffen, der sich mit deinen Eigenarten abfindet?«
    Ich rührte in meinem Capuccino, auf dem weißer Milchschaum stand.
    Ich spürte einen leichten Druck in der Herzgegend.
    »Es gibt manchmal jemanden«, sagte ich. »Jetzt ist da ein Amerikaner.«
    »Und dieser Amerikaner, was macht er?«
    »Er ist Fotoreporter. Wir arbeiten am gleichen Forschungsprojekt.«
    »Und wie geht’s dir mit ihm?«
    Ich hob meine Tasse zum Mund.
    »Das ist nicht so einfach zu sagen. Ich habe noch nicht rausgekriegt, woran ich mit ihm bin. Aber mit ihm habe ich etwas, was mich beschäftigt.
    Neben der Arbeit, meine ich.«
    »Du bist anspruchsvoll«, sagte mein Vater. »Du bist es schon immer gewesen. Und was tust du sonst?«
    »Auf Feuer wandern«, sagte ich.
    Das Lächeln meines Vaters erlosch. Er stieß einen Seufzer aus und winkte dem Kellner.
    »Wir täten besser daran, jetzt einen Whisky zu nehmen.«
    Ich war Whisky nicht gewohnt und ließ mir viel Wasser dazugeben.
    »Trinkst du ihn oft?« fragte ich, als der Kellner gegangen war.
    Mein Vater nahm einen langsamen Schluck.
    »Nicht sehr oft.«
    »Wovon hängt das ab?«
    »Von meiner Stimmung, zumeist. Manche Dinge machen mir Lust auf einen Whisky. Und es sind meistens traurige Dinge. Casa Monte, zum Beispiel…«
    »Warum hast du es verkauft, Papa? Ohne mich zu fragen?«
    Ich merkte, daß meine Stimme zitterte, und biß mir leicht auf die Lippen.
    »Bambina«, seufzte er, »es war kein leichter Entschluß, aber dann ging alles sehr schnell. Castello Monte kam auf die Dauer zu teuer. Die Steuern, du weißt ja, wie das ist.«
    »Warst du manchmal da?«
    »Nur für ein paar Tage.«
    »Allein?«
    Er lachte leise.
    »Was denkst denn du? Casa Monte ist wie ein Hotel ohne silbernes Frühstückstablett, in den Möbeln ticken die Holzwürmer, aber auf manche Frauen wirkt das wie ein Aphrodisiakum. Ein Haus mit fünfzehn Zimmern, in denen kein Mensch mehr wohnt! Man kann die Türen auf- und zumachen, wie Schubladen. Die alte Lina hat einen Schlüssel. Bevor wir kommen, bringt sie frische Bettwäsche, macht Feuer im Kamin und sorgt dafür, daß wir Proviant haben. Alte Häuser beherbergen Bilder von früher.
    Sie warten, ob wir wiederkommen, aber schließlich verlieren sie ihre Seele.
    Sie sehen anders aus und hinterlassen auch ein anderes Gefühl. Und schließlich werden sie nutzlos.«
    Ich schluckte schwer. Die Bilder, von denen mein Vater sprach, waren in mir noch lebendig: die steinernen Mauern, der überdachte Holzgang –
    die Loggia – längs der ersten Etage, an dem sich blaue Trauben ringelten.
    Die getrockneten Maiskolben an der Wand, die orangeroten Kürbisse im Garten. Die große Halle, die Küche mit dem alten Eisenhaken, an dem man noch vor dreißig Jahren den Kessel mit der Polenta aufhing. Die Blumentöpfe auf der Treppe, das nagende Geräusch der Seidenraupen im Estrich. Und Nonna, mit ihrem Veilchenduft und ihrer singenden Stimme:
    »Picina, vieni qui! Laß dir die Schleife binden…«
    Die verlorene Kindheit. Das verlorene Paradies. Es ist so schwer, erwachsen zu sein. Soll ich dir etwas sagen, Papa? Oft summt eine Biene in meinem Kopf, wie in einem verlassenen Bienenhaus. Dann fühle ich mich sehr traurig. Weißt du noch das Lied, das Nonna immer sang? Die Melodie habe ich jetzt noch im Kopf: »A la feria de l’est…« Wenn du die Erde an einem heißen Sommertag in die Hand nimmst, Papa… hast du schon mal daran gerochen? Die Erde riecht nach Blut. Und manchmal auch nach Feuer. Aber über solche Dinge kann ich mit dir nicht sprechen, Papa. Du denkst über vieles nach, aber nicht über das Wesentliche. Du hast dir dein Leben bequem eingerichtet. Ich will dich nicht beunruhigen.
    »Ich habe von Nonna geträumt«, flüsterte ich rauh. »Ausgerechnet in der vergangenen Nacht.«
    Er betrachtete mich aufmerksam. Mein Stimmungswechsel war ihm nicht entgangen.
    »War es ein besonderer Traum?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Immer, wenn ich in Gedanken zu Nonna flüchte, begegnet sie mir im Traum. In mir ist eine Frage, die ewig ohne Antwort bleibt. Nonna lächelt nur und flüstert: »Vedrai, vedrai!« Auf ihrem Gesicht liegt eine Verzauberung. Sie sagt
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