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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf
Autoren: Alexander Zeram
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springt er auf. In sich hinein schimpfend dreht er ein paar Kreise rund ums Motorrad, dann kehrt er zu seinem Nachtlager zurück. In den Mercedes wird er sich auf keinen Fall zurückziehen - schon aus Prinzip nicht.
    Als er sich den halb offenen Schlafsack über den Körper schlagen will, stößt er mit dem Handrücken an einen harten Gegenstand und schürft sich dabei die Haut auf.
    "Scheiße!" entfährt es ihm laut. Im feuchten, an manchen Stellen bereits leicht angefrorenen Gras tastet er nach dem Gegenstand und entdeckt dann einen Stein.
    'Auf dem hab' ich' s mir doch vorhin gemütlich gemacht. Erstaunlich nur, dass er Kanten hat und oben abgeflacht ist. Und hier ... was ist denn das?' fragt er sich und befühlt den Stein weiterhin. 'Könnten das Buchstaben sein?'
    Kurz darauf hockt Rodolphe vor dem Stein und entzündet nacheinander einige von Dr. Glücklichs Streichhölzern. Kopfschüttelnd rollt er sich schließlich wieder in den Schlafsack ein.
    'Ein Meilenstein ... verrückt!' denkt er sich. 'Wie kommt denn in diese gottverdammte Gegend ein Meilenstein? Und was haben die Zahlen zu bedeuten? 43 und 44 ...! Werd' mich morgen drum kümmern.'

-3-  Morgengrauen
     
     
    'Eigenartige Luft hier draußen!' stellt Rodolphe fest, als er nach unruhigem, langem Wachen und einem kurzen Nickerchen mit dem ersten Dämmerlicht erwacht. Er streckt sich mühsam und verflucht Baldwin. Hätte der nicht einen geräumigen Kleinbus erwerben können? Nein, es musste eine Limousine sein ... ein Wagen, in dem trotz aller Pferdestärken und Ausstattungsextras nicht mehr Personen Platz finden als in dem bedeutend günstigeren Ford. Und jetzt schmerzt Rodolphe der Rücken.
    In erstaunlich dichten Schwaden hängt der Nebel direkt über dem feuchten Boden. Rodolphe geht hinüber zu seinem Motorrad. In den Gepäcktaschen hat er noch einen Rest Brot und Wurst vom Vorabend. Als Frühstück würde das reichen.
    Langsam wird es heller, doch der Nebel umfasst alles wie ein undurchdringlicher Schleier. Dass die Sonne bereits aufgegangen sein muss, kann Rodolphe nur erahnen, denn obwohl man keine fünf Schritte weit sieht, wird das Licht um ihn herum nach und nach intensiver und der Nebel immer milchiger und heller.
    'Scheiß-Gegend! So 'nen Nebel hab' ich noch nie erlebt!'
    Seine Armbanduhr zeigt auf sechs ... noch etwas früh für das erste Pfeifchen. Dass sich Baldwin und die anderen nicht vor sieben oder halb acht Uhr zeigen werden, kann er sich denken. Also untersucht er – jetzt bei halbwegs akzeptablem Licht – noch einmal den Meilenstein, den er kurz vor dem Einschlafen entdeckt hat.
    'Wirklich verrückt! 43 ... 44 ... können eigentlich keine Kilometerangaben sein. Hier führt doch nirgends eine vernünftige Straße vorbei! Oder vielleicht früher mal? Am Ende gehört der Stein zu einer Straße, die uns zu diesem Schloss führt! Das würde den Chef freuen.'
    Rodolphe entschließt sich kurzerhand für einen kleinen Spaziergang. Ein Blick hinüber zum Wagen Baldwins genügt ihm, um mit Bestimmtheit zu sagen, dass noch alles schläft. Im Ford wird es frühestens mit den Sieben-Uhr-Nachrichten Bewegung geben.
    ‚Wenn es einen Meilenstein gibt, dann sollte ich dazu die Straße finden und ... weitere Meilensteine.' Rodolphe zögert nicht. ‚Ich fühl's ... das wird ein Abenteuer. Ha, wär's auch der erste Film vom Chef, der kein Abenteuer mit sich bringt! – Dieser verdammte Nebel, die schwere Luft ... das eigenartige Licht ... ist überhaupt alles sehr eigenartig. Das wird ein Erlebnis ... ich weiß es!'
    Es ist kühl – Raureif hat die Ebene in eine bizarre Winterlandschaft verwandelt. Um seine ohnehin klammen Ohren zu schützen, setzt sich Rodolphe den Motorradhelm auf und geht los.
    Langsam entfernt er sich vom Lagerplatz, der schon nach wenigen Schritten nicht mehr zu erahnen gewesen wäre, hätte er sich auch nur ein einziges Mal umgedreht.
    Der Nebel verschluckt die Konturen, die Landschaft, die Gestalten ... die Gedanken.
    *         *         *
     
    "Aaaaaah!" Baldwin, der eben erwacht ist, beginnt sich zu strecken und gähnt herzzerreißend dazu.
    "Aah?" wiederholt Zeramov fragend.
    Baldwins Geseufze hat ihn geweckt und jetzt sieht er sich verwundert im Wagen um. Wie? Die ganze Nacht soll er im Wagen auf dem Rücksitz verbracht haben? Es scheint, als könne er sich nicht daran erinnern, wie er hierher gekommen ist.
    "Aaah!"
    Baldwins Gähngymnastik erfordert mehr Platz. Ein Fenster wird heruntergekurbelt und
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