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Fettnaepfchenfuehrer Italien

Fettnaepfchenfuehrer Italien

Titel: Fettnaepfchenfuehrer Italien
Autoren: Sandro Mattioli
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funktioniert hat. Hier unter ihr, auf diesem Platz, soll die Entwicklung dieses immensen Staates gesteuert worden sein? Hier zwischen diesen Steinen soll bestimmt worden sein, was im fernen Afrika zu passieren hat? Der Gedanke schien ihr absurd, zumal es damals kein Telefon gab, keine Email, überhaupt kein schnelles Kommunikationsmittel. Und dort, an diesem unscheinbaren Klotz, inmitten der anderen Steine des Forum, wo früher der Senat stand und heute Touristen Handyfotos schießen und telefonieren, dort soll Caesar umgebracht worden sein? (An ihrem dritten Tag hatte Franziska das Kolosseum umrundet und das Forum besichtigt und sich über die roten Rosen gewundert, die dort lagen. Später belauschte sie eine englische Reiseführerin und erfuhr den Grund dafür.)
    Es war in gewisser Weise ein herrschaftlicher Spaziergang. Vom antiken Machtzentrum führte sie ihr Weg zu der wunderschönen, von Michelangelo gestalteten Piazza Campidoglio auf dem Kapitol, die sie bereits vom italienischen Fünfzig-Cent-Stück kannte. Im Rathaus, das die Piazza dominiert, müht sich der Bürgermeister, die Stadt Rom in den Griff zu bekommen, eine Stadt mit störrischen Bürgern und einer Vielzahl von Zuwanderern, wie viele, das wusste niemand so genau. Franziska wurde klar, dass sie nun zum ersten Mal in ihrem Leben auch eine Zuwanderin war, obgleich auch nur temporär. Sie ging die breite Treppe hinab und hörte zunehmend den Lärm der Piazza Venezia. Wo heute der Verkehr tost, tobten einst die Massen, wenn Benito Mussolini auf dem Balkon seines Palastes Reden hielt. Im Palazzo Venezia hatten die Faschisten ihr Hauptquartier. Heute logiert in den Räumen ein Kunstmuseum, aber Franziska hatte von Catarina gelernt, was es heißt, sich »unter dem Balkon« zu treffen. Gemeint war damit »unter dem Balkon des Duce «, ein noch immer geläufiger Ausdruck, auch für politisch Linksgerichtete wie Catarina.
    Ein weiterer Palazzo, ein weiterer Herrscher. Franziska kam am Palazzo Chigi vorbei, dem Amtssitz des Premierministers. Schließlich landete sie auf der Piazza Colonna und damit vor dem Parlament, das in Italien immer wieder für eine bunte Mischung gut ist: Die Enkelin von Benito Mussolini, Alessandra Mussolini, eine rechtsextreme Politikerin, ist hier tätig, sie ist übrigens auch die Nichte von Sophia Loren. Außerdem wirkten hier die Ex-Pornodarstellerin Ilona Staller, dazu Vladimir Luxuria, ein Transsexueller. Behinderte haben es jedoch schwer, aber immerhin ist im Jahr 2008 eine Frau im Rollstuhl ins Parlament gewählt worden, die erste behinderte Abgeordnete in Italien überhaupt. Eine Wahlrechtsreform hat leider nichts an diesem Zustand geändert. Nach ihr bestimmt jetzt die Parteiführung, wer die bei der Wahl gewonnenen Sitze bekommt, und nicht mehr der Wähler.
    Franziskas Spaziergang führte sie schließlich an die Fontana di Trevi , wo sich die Touristenmassen drängten. Auf dem Weg dorthin merkte sie zum ersten Mal, dass die bewundernden Pfiffe einiger italienischer Jugendlicher, die sie gehört hatte, ihr galten. Zuerst war es ihr gar nicht aufgefallen. Doch dann sagte ein Junge »eh, bella Bionda, dove vai« , ein anderer rief, sie solle doch herkommen und ein Dritter machte, nachdem sie stehen geblieben war und sich zu der Gruppe hingedreht hatte, eine Geste, die sie nicht interpretieren konnte. Die Jungs schöpften Hoffnung. Einer davon sah cool aus, trug Hip-Hop-Klamotten und war ziemlich jung. Doch es waren die anderen beiden, die ihr selbstbewusst zu verstehen gaben, sie solle herkommen, und winkten – es sah aber so aus, als wollten sie sie wegschicken, sie kippten die Hand mit dem Handrücken oben nach unten und fächerten Luft. Franziska ging auf die drei Jungen zu, als sie schließlich kapiert hatte, was die Geste wirklich meinte.
    »Where are you from?« fragten sie radebrechend, wo kommst Du her.
    »Ich bin aus Deutschland«, antwortete Franziska auf Italienisch, etwas weniger radebrechend.
    Die Jungs wollten wissen, was sie hier tue. Bei der Antwort, sie sei Erasmusstudentin, blitzte etwas in ihren Augen auf. Ob sie Rom möge, einen Freund habe und dass sie hübsch sei, dann war das Englisch auch fast schon erschöpft.
    »Ich kann auch ein wenig italienisch«, sagte Franziska.
    Die Jungs luden sie ein, mit ihr mitzukommen, sie wollten eine Runde drehen. Franziska sagte dankbar »ja«. Zum einen hatte sie ohnehin nichts Besonderes vor, zum anderen konnte sie so italienisch üben und zum Dritten waren die Drei
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