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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht
Autoren: Lisa Kleypas
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seiner Schulter.
    »Schlafen Sie, Süße. Ich pass auf Sie auf.«
    Lucy fiel in einen erschöpften Schlaf und wurde von wirren Traumbildern heimgesucht. Erinnerungsfetzen an die gemeinsame Kindheit mit Daniel; wie ihre kindliche Feindschaft sich in Freundschaft wandelte, ihre Freundschaft sich zu tiefer Zuneigung entwickelte; wie Daniel in den Krieg zog, umwerfend gut aussehend und schneidig in seiner blauen Uniform mit den roten Achselklappen, seinen funkelnden braunen Augen im hübschen Gesicht und dem gepflegten Lippenbärtchen. Daniel – ihre Liebe, nicht aber ihr Geliebter.
    Sie erinnerte sich an Daniels Rückkehr, nachdem der Süden die Waffen gestreckt hatte. Bei all ihrer Wiedersehensfreude war ihr aufgefallen, wie müde er aussah, um Jahre gealtert, sein Blick immer noch dunkel und warm, doch das Funkeln seiner Augen war nicht mehr da.
    »Daniel!«, rief sie begeistert, als er aus dem Zug stieg. Sie war ihm jahrelang in kindlicher, bewundernder Liebe zugetan, doch nun war sie siebzehn und begehrte ihn mit der Glut und Leidenschaft einer heranwachsenden Frau.
    Obwohl seine Familie und all seine Freunde sich auf dem Bahnsteig zu seinem Empfang eingefunden hatten, begrüßte er zuerst sie.
    »Lucy, bist du es wirklich?«, fragte er und sie flog in seine ausgebreiteten Arme mit strahlendem Lächeln im Überschwang ihres Glücks.
    »Hast du meine Briefe bekommen? Hast du sie gelesen? Hast du …«
    »Ich habe alle bekommen und gelesen.« Er beugte sich vor und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    »Und ich habe sie alle aufbewahrt.«
    Sie erinnerte sich, wie Daniel um ihre Hand angehalten hatte. Seine starken Arme hielten sie umfangen, sein Mund lag warm auf ihren Lippen.
    »Es kann noch nicht gleich sein«, hatte er gemeint. »Wir müssen noch ein oder zwei Jahre warten, bis ich in der Eisenbahngesellschaft Fuß gefasst habe.«
    »Aber ich will dich jetzt …«
    »Es gibt so vieles, was ich dir bieten möchte. Warte auf mich, Lucy. Gib mir dein Versprechen, dass ich dich nicht an einen anderen verliere.«
    »Ich warte eine Ewigkeit auf dich«, hatte sie ihm versprochen, mit Tränen in den haselnussbraunen Augen. »Du wirst mich nie verlieren … Ich gehöre dir, solange du mich begehrst … solange du mich liebst.«
    Drei Jahre waren vergangen, drei enttäuschende Jahre, ihm zu gehören und dennoch nicht wirklich zu gehören. Er war noch nicht bereit sie zu heiraten, und es gab kein Anzeichen, dass er bald dazu bereit sein würde. In der Zwischenzeit hätte sie ihm alles gegeben, was er von ihr wollte, alles, was sie ihm zu bieten hatte, aber sie hatten einander nicht angehört. Daniel war ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle und würde sie unter keinen Umständen vor der Hochzeitsnacht berühren. Er war ein Ehrenmann und seine Ehre war ihm wichtiger als seine Fleischeslust. Ruhelos und besorgt klammerte sie sich flehentlich an ihn.
    »Daniel … sag mir, dass du mich liebst. Bleib heute Nacht bei mir … bitte bleib.«
    Er hauchte ihr warme, behutsame Küsse auf die Stirn, sein Mund presste sich an ihre Schläfe, liebkoste ihre Wangen und die zarte Haut unter ihren Augen. Seufzend schmiegte sie sich an die Wärme seines Körpers.
    »Schschsch …«, flüsterte er, wölbte seine Hand um ihren Hinterkopf und lehnte ihr Gesicht an seine Schulter.
    »Geh schlafen … schlaf …«
    Sein türkisblauer Blick wanderte bedächtig über ihre Gesichtszüge. Lucinda Caldwell lag schlummernd in seinen Armen. Heath schüttelte verwundert den Kopf. Eine Laune des Schicksals hatte all seine ausgefeilten Pläne unnötig gemacht. Wer hätte je gedacht dass sie so schnell in seinen Armen liegen würde? Er wiegte die Schlafende sanft.
    Wie zierlich sie war und zugleich erstaunlich üppig gebaut.
    Wie oft hatte er sich ausgemalt wie sie aus der Nähe aussehen würde – die Beschaffenheit ihrer Haut der Schwung ihrer Augenbrauen, die Dichte ihrer Wimpern. Nun hatte er die Antwort vor sich und seine Neugier war mehr als gestillt. Er hatte sie oft genug gesehen, um zu wissen, dass ihr Lächeln fröhlich und charmant war, hatte beobachtet, wie sie energischen Schrittes die Straße überquerte. Nun kannte er Einzelheiten von ihr, die vermutlich kein Mann vor ihm je gesehen hatte – ihre wohlgeformten Rundungen, ihre glatte, makellos helle Haut das Muttermal an ihrer linken Brust.
    Sie wirkte so bezaubernd jung mit den glänzenden Spuren vergossener Tränen an den zarten Wangen. Ihr Mund war unendlich
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