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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht
Autoren: Nikola Hotel
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Sommerausgabe von letzter Woche«, erklärte Silke.
    Raphael wickelte derweil einige Speckstreifen aus der Verpackung. Nicht, ohne anschließend daran zu riechen. Ich fragte mich, ob er wohl immer an Speck roch, nachdem er ihn entblättert hatte, spülte diesen Gedanken aber schnell mit Kirschwasser herunter.
    Seine Klinge zertrennte den Bacon in kleine Würfel und schubste diese in die Pfanne. Das Zischen breitete sich als Gänsehaut über meine Arme aus.
    »Hört sich klasse an, nicht wahr?«, fragte Raphael sein Publikum. Und ich konnte ihm nur nickend zustimmen.
    Schwungvoll schnitt er die Zucchini in Hälften. Mit dem Daumen (Großaufnahme!) fuhr er über die Schnittstelle und beschrieb ausführlich die Schönheit des Fruchtfleisches.
    Silke und ich seufzten laut.
    »Und jetzt können wir die Penne schon ins Wasser werfen«, erklärte er und lächelte sehr einnehmend.
    »Schau nur, wie er die Zucchini klein schneidet! Genau dieselbe Form wie die Nudeln! Da«, rief Silke exstatisch, »er rupft einfach so den Thymian ab und wirft ihn zum Gemüse in die Pfanne. Ich wette, er hat ihn nicht mal gewaschen!«
    Das vermutete ich auch. Obwohl das sehr schade war, denn auch dabei hätte ich ihm gerne zugesehen.
    Nun verstreute Raphael großzügig Pfeffer, griff sich einen Berg geriebenen Parmesankäse (mit bloßen Händen!) und rührte mit Eigelb eine Masse an.  
    »Und jetzt wird es ernst«, sagte er und zwinkerte blau in die Kamera.
    Silke und ich seufzten wieder.
    Er zog die Gemüsepfanne vom Herd, kippte sowohl die Eimasse als auch die Penne hinein und mischte das Ganze, indem er die Pfanne elegant schwenkte. Zu guter Letzt verspritzte er noch etwas Kochwasser darüber, bis die Masse eine cremige Konsistenz erreicht hatte und sich liebvoll an die Nudeln schmiegte.
    Ich war beeindruckt. Raphael bewies eine sehr männliche Art zu kochen, und es war ein Genuss ihm dabei zuzusehen. Er maß keine Zutaten ab und drapierte sie in kleinen Schälchen, sondern nahm sich einfach, wonach es ihm gelüstete. Er kochte ganz offensichtlich mit purer Leidenschaft.
    Langsam und sinnlich träufelte er Olivenöl über das Essen, und ich räusperte mich.
    Ganz spontan trudelten dann einige Freunde ein. Zwei Frauen in leichten Sommerkleidchen gesellten sich dazu.
    Raphael lachte mit strahlend weißen und perfekten Schneidezähnen in die Kamera. (Das war der Augenblick, wo ich ganz dringend wieder einen Schluck Kirschwasser zu mir nehmen musste.) Er zerbrach ein Baguettebrot und tunkte ein Stück davon in die Soße. Im Nachspann sah man, wie angeregt sich alle unterhielten und eine Weinflasche herumreichten.
    Silke schwärmte: »Hat er nicht schöne Zähne?«
    Ein Stöhnen entschlüpfte mir.
    »Meinst du nicht, du hast langsam genug von diesem Zeug intus?«, fragte Silke und nahm mir die Flasche ab. »Außerdem musst du noch die Zucchini klein schneiden. Mach es aber genau so, wie Raphael es vorgemacht hat, ja? Ich will unbedingt diese Nudelform haben.«
    Ich blinzelte und versuchte, den Wasserhahn zu fokussieren. Dann wusch ich mit Hingabe die Zucchini, was vermutlich daran lag, dass Raphaels Kochleidenschaft allein beim Zusehen abfärbte. Auch eine Zucchini wusste so eine kleine Massage bestimmt zu schätzen.
    »Das Nudelwasser kocht gleich, kannst du dich nicht ein bisschen beeilen?«
    »Jaha«, flötete ich und steckte mir eine harte Nudel zwischen die Lippen. Als Kind hatte ich immer versucht, die schönsten Töne hindurchzupusten. Mit dem Zucchinistück klappte das aber leider nicht, stellte ich fest. Ich pustete und pustete, aber kein Ton wollte herauskommen. Dann schnitt ich mir in den Finger und mein Blut tröpfelte auf das Schneidebrett.
    »Oh nein!«, rief meine Schwägerin aus. »Jetzt verdirbst du auch noch das schöne Essen!« Sie schob mich von der Theke fort und drückte mir eine Zewa-Rolle in die Arme. »Muss man denn alles selber machen?«  
    Ich entschuldigte mich und kauerte mich auf einen Stuhl, damit ich wenigstens nicht im Weg stand. Während sie das Gemüse zubereitete, wurde ich melancholisch:
    »Ich hab ihm seine schönen Zähne ausgeschlagen«, gab ich in trostlosem Tonfall von mir.
    »Mmh?«, machte Silke. Die Nudeln blubberten derweil vor sich hin.
    »Und jetzt hasst er mich vermutlich.« Ich schnäuzte mich lautstark in das Küchenkrepp .  
    »Wer hasst dich?«
    »Der Fernsehkoch.«
    »Welcher Fernsehkoch denn?«
    Ein Schluckauf hinderte mich daran, flüssig weiterzusprechen. » Ra... raph«, hickste ich.
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