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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht
Autoren: Nikola Hotel
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Josephine. Der einzige Vorteil dieses scheußlichen Namens war, dass ich garantiert immer die einzige Josephine meines Jahrgangs, wenn nicht sogar der ganzen Schule war. Leider wartete meine Mutter bis heute vergeblich darauf, dass irgendeiner aus der Familie sein musikalisches Talent offenbarte.
    »Wenn ich meine Schuhe ausziehe, bekommt Silke den Schock ihres Lebens«, erklärte Claude gerade und unterbrach damit meine Gedanken.
    »Claude!«, rief ich angewidert aus. »Bitte, wir gehen zum Essen !«  
    »So war das nicht gemeint.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich hatte noch dieses Paar mit den Löchern am dicken Zeh. Ich dachte, das wäre die Gelegenheit, sie endlich einmal aufzutragen.«
    Ich war mir sicher, dass er das nur tat, weil Silke uns jedes Mal zwang, die Schuhe auszuziehen, damit wir ihren beigefarbenen Teppich nicht beschmutzten. Ich verstand nicht, warum man sich sowas überhaupt in die Wohnung legte, wenn man dann nicht darauf laufen durfte, aber es war schließlich ihre Wohnung, also galten dort auch ihre Regeln.
    Wir verließen das Haus. Umständlich schloss ich den kleinen Fiat auf und zog das Knöpfchen an der Beifahrerseite hoch.
    »Du könntest dir wirklich mal ein neues Auto kaufen«, bemerkte Claude, als er sich neben mir in den Sitz quetschte. »Du verdienst doch ein Schweinegeld!«
    »So viel ist es auch wieder nicht«, erwiderte ich. Ganz abgesehen davon, dass ich vor lauter Diensten kaum die Zeit fand, überhaupt Geld auszugeben. »Außerdem spare ich.«
    »Wofür denn?«
    Spontan dachte ich an das Häuschen im Grünen, von dem ich schon sehr lange träumte. An die Familie, die ich vielleicht nie haben würde, an die Kinder, den Skiurlaub, die Playstation, die Tierarztkosten für den Hund, die Zahnspangen. Laut sagte ich:
    »Och, nichts Besonderes. Wie war eigentlich dein Vorstellungsgespräch bei diesem IT-Unternehmen? Hast du schon etwas von ihnen gehört?«
    Claude fuhr sich mit der Hand durch den Haarschopf. »Ich war gar nicht da«, gestand er.
    »Warum denn nicht? Ich dachte, das wäre die Chance. Hast du nicht gesagt –«
    »Ich arbeite gerade an einer ganz wichtigen Sache«, unterbrach er mich. »Da zählt quasi jede Minute. Ich kann mich jetzt unmöglich mit sowas wie einem Vorstellungsgespräch rumschlagen. Kostet nur unnötig Zeit.«
    »An was denn?«
    »Ich entwickle eine App.«
    »Eine App?«
    »Das, womit du dein iPhone vollstopfst. Diese –«
    »Ich weiß, was eine App ist!«, unterbrach ich ihn. »Aber was für eine App genau?«
    »Das ist streng geheim. Ich meine, ich könnte es dir sagen, aber dann würdest du dich garantiert darüber lustig machen.«
    »Das kann ich leider nicht ausschließen«, gab ich zu, und wir verstummten beide. Der Straßenverlauf dirigierte uns hinunter Richtung Rhein.
    »Und die Miete?«, hakte ich nach.
    »Lisa macht mir da keinen Stress.«
    Langsam lenkte ich den Wagen in die Rosenstraße. Das Glück war mir hold, ich fand sogar einen Parkplatz an der Ecke Achterstraße. Als wir zum Haus liefen, fing es an zu nieseln.
    »Wie immer zehn Minuten zu spät!«, begrüßte uns Silke kurz darauf. »Kommt rein, aber zieht die Schuhe aus. Ihr wisst ja, der Teppich ist sehr empfindlich. Danke für die Blumen, der Strauß ist wunderschön. Severin, die Autos gehören nicht ins Wohnzimmer! Jemand könnte aus Versehen drauftreten und sich schwer verletzen. Auch wenn Tante Josephine jetzt da ist, möchte ich heute keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Nein, sie müssen in die blaue Kiste, die rote ist ausschließlich für die Legosteine. Dieses Kind macht mich wahnsinnig! Annika, nimm Onkel Claude mit und zeig ihm deine neuesten Kunstwerke. Ich bin sicher, er ist sehr daran interessiert zu sehen, was du in der Malschule schon alles gelernt hast.«
    Es war beeindruckend, wie lange Silke reden konnte, ohne auch nur einmal Luft zu holen. Beeindruckend, aber auch Angst einflößend.
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«, bot ich ihr an.
    »Helfen?« Sie strich ihre Schürze glatt und überlegte. Dann rief sie ins Esszimmer: »Frédéric, deine Geschwister sind da. Bitte schenk deinen Eltern und Claude etwas von dem Rotwein ein. Nein, den Merlot, der ist halbtrocken, deine Mutter mag nicht so viel Säure. Der Brotkorb steht auf der Anrichte. Und bitte, Frédéric, halte uns die Kinder vom Hals! Josephine hilft mir in der Küche.« Damit schob sie mich durch den Flur.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Hilfsangebot nicht bereuen würde, denn als
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