Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
nach fünf Tagen, ertönte der Ruf - von einer Stimme, die vor lauter Durst nichts als ein heiseres Krächzen herausbrachte. Trotzdem hörte man ihr die Freude deutlich an. Ich stürzte so hastig aus der Kajüte, daß ich ausrutschte. Die anderen hingen bereits an der Reling und starrten auf den flachen, dunklen Streifen am Horizont. Zwar schien es noch weit, aber es war unverwechselbar Land.
    »Was glaubt ihr, wo wir sind?« Weil ich vor lauter Heiserkeit nur noch flüstern konnte, hatte mich niemand gehört. Außerdem war es mir einerlei; von mir aus könnten wir geradewegs auf die Marinekasernen von Antigua zusteuern, ohne daß es mich weiter gestört hätte.
    In breiten, weichen Bögen rollten die Dünung dahin. Als uns eine kleinere Bö traf, rief Innes dem Steuermann zu, den Bug näher an den Wind zu bringen.
    Eine Schar großer Vögel flog in einer majestätischen Linie auf die Küste zu. Pelikane, deren Gefieder in der Sonne glitzerte, auf dem Weg zu seichteren Gewässern, um dort nach Fischen zu suchen.
    Ich zupfte Jamie am Ärmel und wies auf die Tiere.
    »Sieh mal«, setzte ich an. Aber weiter kam ich nicht. Ich hörte ein lautes Krächzen, und die Welt um mich zerbarst. Im Wasser kam ich wieder zu mir. Verdutzt und halb erstickt schlug ich um mich. Irgend etwas hatte sich um meine Füße gewickelt und zog mich in die dunkelgrüne Tiefe.
    Panisch trat ich nach allen Seiten, um meine Beine aus der tödlichen Umwicklung zu befreien. Da schwamm etwas an meinem Kopf vorbei, und rasch griff ich danach. Holz, der Himmel sei gesegnet, Holz, an dem ich mich in der mächtigen Strömung festklammern konnte.
    Wie ein Seehund schoß neben mir ein dunkler Schatten durch die Tiefen, und dann tauchte knapp zwei Meter vor mir ein roter Schopf aus dem Wasser.
    »Halte dich fest«, rief Jamie, nach Luft schnappend. Mit zwei
Zügen hatte er mich erreicht. Er tauchte unter das Stück Treibholz, an dem ich mich festklammerte, und dann merkte ich, wie an meinen Beinen gerissen wurde. Ein scharfer Schmerz durchschoß mich, und der Sog, der mich in die Tiefe zog, wurde schwächer. Wieder tauchte vor mir der Kopf aus dem Wasser. Jamie griff nach meinen Handgelenken und schnappte nach Luft.
    Nirgendwo in unserer Umgebung sah ich das Schiff. War es gesunken? Eine Woge schlug über mir zusammen, und für einen Moment war Jamie meinen Blicken entschwunden. Ich schüttelte den Kopf, blinzelte, und da war er auch schon wieder. Er grinste mich schief an und krallte seine Finger um meine Hände.
    »Halte dich fest!« krächzte er wieder. Das tat ich. Das Holzstück war hart und rissig, doch ich umschlang es mit der Kraft der Verzweiflung. Halb blind von der Gischt ließen wir uns treiben. Manchmal erhaschte ich einen Blick auf die ferne Küste, aber dann wieder sah ich nur noch das Meer, von dem wir gekommen waren. Und wenn die Wellen über uns zusammenschlugen, sah ich nichts als Wasser.
    Irgend etwas war mit meinem Bein nicht in Ordnung; es kam mir seltsam taub vor, und hin und wieder wurde es von einem stechenden Schmerz durchzuckt. Panisch dachte ich an Murphys Stumpf und das Rasiermessergrinsen eines aufgerissenen Haifischmauls, aber dann kam ich wieder zur Vernunft und beruhigte mich. Wenn mein Bein wirklich abgetrennt war, hätte ich schon längst das Bewußtsein verloren.
    Nur verlor ich allmählich wirklich das Bewußtsein. Alles, was in meinem Blickfeld lag, bekam schwammige Ränder, und grellgelbe Flecken fluteten vor Jamies Gesicht. War ich am Verbluten, oder lag es an der Kälte und am Schock? Letztlich auch egal, dachte ich benommen; das Ergebnis war das gleiche.
    Nach und nach ergriffen mich Mattigkeit und ein Gefühl unendlichen Friedens. Ich spürte weder Füße noch Beine. Nur Jamies Hände, die die meinen umklammert hielten, machten mir bewußt, daß ich noch am Leben war. Als eine Woge über uns hinwegspülte, mußte ich mich ermahnen, auch wirklich die Luft anzuhalten.
    Dann stieg das Holz wieder in die Höhe, so daß mein Kopf über Wasser war. Ich atmete tief ein und sah mich um. Dreißig Zentimeter vor mir sah ich Jamie Frasers Gesicht. Die Haare klebten
ihm am Schädel, und seine verzerrten Züge waren naß von der Gischt.
    »Halt dich fest«, brüllte er. »Halt dich fest, verdammt!«
    Ich lächelte ihn freundlich an, ohne ihn richtig gehört zu haben. Das Gefühl süßen Friedens trug mich über den Lärm und das Durcheinander. Ich empfand keinen Schmerz mehr. Nichts hatte noch eine Bedeutung. Als die nächste
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher