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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer
Autoren: Diana Gabaldon
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Schüsse schlugen in einger Entfernung von uns ein. Als plötzlich ein deutlich lauterer Knall ertönte, sah ich zurück. Die gekenterte Bruja zerbarst in tausend Stücke. Die Porpoise hatte sich ihr so weit genähert, daß sie in Reichweite ihrer Bugkanonen lag.
    Ein Kartätschenhagel ergoß sich auf die flüchtenden Sklaven am Strand. Schwarze Körper wirbelten durch die Luft wie Spielzeugfiguren. Blutüberströmt fielen sie neben abgetrennten Gliedmaßen in den Sand und blieben dort liegen.
    »Heilige Maria, Muttergottes!« Ian, dessen Lippen weiß geworden
waren, bekreuzigte sich. Entsetzt starrte er auf die Küste. Der Kanonenbeschuß nahm kein Ende. Die Bruja wurde erneut von zwei Kugeln getroffen, die seitlich ein großes Loch in den Rumpf rissen. Weitere landeten auf dem Sand, ohne Schaden anzurichten, aber zwei andere trafen in die Gruppe der fliehenden Menschen. Da bogen wir jedoch um die Landzunge und erreichten das offene Meer, und das Gemetzel am Strand entzog sich unseren Blicken.
    »Bete für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.« Flüsternd beendete Ian sein Gebet und bekreuzigte sich noch einmal.
    Wir sprachen kaum. Jamie gab Innes lediglich die Anweisung, nach Eleuthera zu segeln, was einen Disput zwischen Innes und MacLeod über die beste Route nach sich zog, doch ansonsten waren wir von dem Gesehenen viel zu entsetzt - und über unser Entkommen viel zu erleichtert -, um uns zu unterhalten.
    Das Wetter war klar, es wehte eine frische, steife Brise, und wir kamen gut voran. Bei Sonnenuntergang war die Insel Hispaniola hinter dem Horizont verschwunden, und zu unserer Linken ragte Grand Turk Island auf.
    Ich aß meine kärgliche Ration Schiffszwieback, trank einen Becher Wasser und rollte mich zwischen Ian und Jamie im Heck des Schiffs zum Schlafen zusammen. Innes hockte sich gähnend in den Bug, während MacLeod und Meldrum über Nacht abwechselnd das Ruder übernehmen wollten.
    In der Frühe weckte mich ein Schrei. Steif und zerschlagen nach der Nacht auf den feuchten Schiffsplanken stützte ich mich auf den Ellenbogen und blinzelte in den Morgen. Jamie stellte sich neben mich.
    »Was ist?« fragte ich.
    »Ich kann es nicht glauben«, sagte er, während er in die Ferne starrte. »Das verdammte Kriegsschiff ist wieder da!«
    Ich rappelte mich auf, und tatsächlich sah ich weit achtern winzige, weiße Segel schimmern.
    »Bist du sicher?« fragte ich. »Kannst du das auf die Distanz auch wirklich erkennen?«
    »Nein«, entgegnete Jamie ehrlich. »Aber Innes und MacLeod können das, und ihrer Meinung nach sind es die verflixten Engländer.
Vielleicht haben sie erraten, wohin wir wollen, und haben sich an die Verfolgung gemacht, sobald sie mit den armen Schwarzen auf Hispaniola aufgeräumt hatten.« Mit einem Achselzucken wandte er sich von der Reling fort.
    »Da bleibt uns nicht viel zu tun. Wir können lediglich hoffen, daß wir unseren Vorsprung halten. Innes meint, wir könnten ihnen vor Cat Island entwischen, wenn wir bis Einbruch der Dunkelheit dort eintreffen.«
    Im Laufe des Tages gerieten wir zwar nicht in die Reichweite ihrer Kanonen, aber man sah Innes an, daß er immer besorgter wurde.
     
    Zwischen Eleuthera und Cat Island war das Meer nicht besonders tief und voller Korallenriffe. Freiwillig würde sich kein Kriegsschiff in dieses Labyrinth wagen. Aber auch unser Boot war nicht wendig genug, um dort den Kanonen der Porpoise auszuweichen. Einmal in die Fahrrinnen zwischen den Riffen eingedrungen, säßen wir in der Falle.
    Schließlich faßten wir widerstrebend den Entschluß, uns nach Osten, hinaus aufs Meer, zu wenden, denn langsamer durften wir nicht werden. So bestand immerhin noch die leise Hoffnung, daß wir der Porpoise bei Nacht entkamen.
    Als der Morgen anbrach, war kein Land mehr in Sicht. Die Porpoise hingegen leider schon - wenn sie auch nicht näher gerückt war. Doch bei Sonnenaufgang frischte der Wind auf. Das Kriegsschiff setzte weitere Segel und gewann zusehends an Fahrt. Wir hingegen hatten keine weiteren Segel, die wir setzen konnten, und auch kein Versteck. So blieb uns nichts anderes übrig, als weiterzufahren und zu beten.
    Während der langen Morgenstunden glitt die Porpoise achtern immer näher. Gegen zehn Uhr war sie nahe genug, um einen Schuß zu wagen. Zwar traf er hinter uns ins Wasser, aber trotzdem wurde es allmählich brenzlig. Innes warf einen Blick über die Schulter, um die Entfernung abzuschätzen; dann schüttelte er den Kopf und hielt
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