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Felidae

Felidae

Titel: Felidae
Autoren: Akif Pirincci
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meiner zukünftigen Haustür da stand, den Blick auf das abwesende Praxisschild von Doktor Frankenstein gerichtet, stieg mir ein anderer, allerdings wohlvertrauter Gestank in die Nase. In Unkenntnis über die Territorialverhältnisse in diesem Distrikt hatte ein Artgenosse ganz frech seine recht aufdringliche Visitenkarte am Türpfosten hinterlassen. Da nun aber mit meinem Einzug die Eigentumsverhältnisse geklärt waren, ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, den Türpfosten neu zu signieren. Ich drehte mich um hundertachtzig Grad, konzentrierte mich so intensiv wie möglich und legte los.
    Der umweltfreundliche Allzweckstrahl scho ß zwischen meinen Hinterbeinen hervor und überflutete den Abschnitt, wo mein Vorgänger sein Memorandum hinterlegt hatte. Jetzt war die Welt wieder in Ordnung - zumindest war die Ordnung geklärt.
    Gustav lächelte hinter meinem Rücken dümmlich, so wie ein Vater dümmlich lächelt, wenn sein Baby zum ersten Mal in seinem Leben den Ausspruch »Bu-bu« tut. Ich hatte Verständnis für seine kleinen Freuden, denn Gustav schien mir bisweilen selbst ein niedlicher Bu-bu zu sein. Seine einfältige Lache zu einem Jubelgrunzen kultivierend, watschelte er sodann an mir vorbei und schlo ß mit einem alten, verrosteten Schlüssel die Tür auf, die sich nach einigem Rütteln öffnen ließ.
    Gemeinsam gelangten wir über einen kühlen Flur vor unsere Wohnungstür, die bei mir spontan die Assoziation eines Sargdeckels aufkommen ließ. Von hier aus führte links eine morsche Holztreppe zu den beiden oberen Stockwerken, aus denen der Tod persönlich herabzuwehen schien. Ich nahm mir vor, sie bald zu inspizieren, um herauszufinden, was es mit ihnen nun tatsächlich auf sich hatte. Ich mu ß jedoch gestehen, da ß mir allein der Gedanke an das Herumstreunen in diesen unheimlichen Räumen eine Mordsangst in die Glieder fahren ließ. Gustav hatte uns in eine gottverdammte Gruft geschleppt, und er wu ß te es nicht einmal!
    Dann flog die Tür auf, und wir marschierten im Gleichschritt auf den Kriegsschauplatz.
    Es war in der Tat eine beeindruckende Altbauwohnung - die sich allerdings in einer Art kosmischer Auflösung befand. Aber dies war gar nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem war Gustav. Mein geliebter Freund würde weder körperlich noch geistig, geschweige denn handwerklich in der Lage sein, ein solches Wrack auf Vordermann zu bringen. Und wenn er das trotzdem ernsthaft in Erwägung zog, so hatte sein von mir schon seit längerer Zeit vermuteter Hirntumor bedenkliche Ausmaße angenommen.
    Langsam und behutsam schlich ich durch die einzelnen Gemächer und nahm jedes Detail in mich auf. Von dem breiten Korridor gingen rechts drei Zimmer ab, die untereinander einen beinharten Wettbewerb um Zerfall und Verkommenheit fochten und Erinnerungen an Das Kabinett des Dr. Caligari weckten. Diese Zimmer waren alle recht groß und gingen nach Süden zur Stra ß e hin, so da ß sie voraussichtlich an gutmütigen Frühlings- und Sommertagen von Sonnenschein durchflutet sein würden. Weil die Nachmittagssonne gerade allmählich anfing, sich um die Ecke zu verdrücken, kam diese Wirkung im Augenblick nicht voll zur Geltung. Am Ende des Korridors befand sich ein weiterer Raum, von dem ich annahm, da ß es das Schlafzimmer war. Von diesem Zimmer führte eine Tür nach draußen. Links vom Gang lag gleich am Anfang die Küche, durch die man dann zur Toilette und zum Bad gelangte.
    Sämtliche Räume schienen nach dem Zweiten Weltkrieg (oder Ersten?) allenfalls von Würmern, Kakerlaken, Silberfischchen, Ratten und von unterschiedlichen Insekten- und Bakterienimperien bezogen worden zu sein; die Vorstellung, da ß hier vor kurzem noch Menschen gelebt haben sollten, schien völlig absurd. Sowohl der schimmelige Parkettboden als auch die Decke waren stellenweise eingebrochen. Alles roch nach Moder und Urin irgendwelcher undefinierbarer Lebewesen, die gerade so hochentwickelt waren, da ß sie urinieren konnten. Es ist allein meiner überragenden Leidensfähigkeit und meinem einwandfreien Hormonhaushalt zu verdanken, da ß ich angesichts dieses Grauens keinen Nervenzusammenbruch erlitt.
    Was Gustav anging, so wurde er plötzlich schizophren. Denn als ich von der Besichtigung des letzten Raumes, vermutlich des Schlafzimmers, gramgebeugt in den Flur zurückkehrte, sah ich meinen armen Freund mitten in der Küche stehen und lebhafte Selbstgespräche führen. Zu meinem Entsetzen mu ß te ich jedoch schon im
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