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Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Autoren: Akif Pirinçci
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uns nicht beirren, verließen die Mauer, die zu dem Hügel mit der Ruine führte, und kletterten hinauf. Schließlich erreichten wir das Innere des Baus und standen dann zwischen den Gemäuerüberbleibseln auf dem düsteren Platz, der noch vor so kurzer Zeit die Rednerbühne gewesen war. Und stellten erstens fest, daß der Regen uns wegen des fehlenden Daches auch hier nicht verschonte, und zweitens, daß außer den durch Sturm und Blitzinferno verursachten Impressionen nichts weiter Gespenstisches zu sehen war.
    Wir reckten gleichzeitig unseren Kopf in die Höhe und hielten die Schnauze in den Regen. Der ausgebrannte Ort glich einem jahrhundertealten Schiffswrack auf dem tiefsten Grund des Meeres, und die stetigen Regentropfen ähnelten Fischschwärmen, die sich darin tummelten. Es waren von diesem Schiffsrumpf nur noch einige Rippen übriggeblieben, welche die rußgeschwärzten Mauern versinnbildlichten, und hier und da ein paar Luken, welche die zu Kohle gewordenen Fensterrahmen darstellten. Die steinerne, schier in den Himmel stoßende Wendeltreppe ohne Geländer markierte dabei den höchsten Mast. Bloß schade, daß an ihrer Spitze keine helle Fahne flatterte und die glorreichen Tage der Seefahrt noch einmal heraufbeschwor. Um so entgeisterter waren wir, als plötzlich doch eine helle Fahne aus dem Schatten trat und uns zurief:
    »Sieh an, Starsky & Hutch haben Dr. No endlich gestellt!«
    Amöbius Mars stand in seinem sandfarbenen Sommeranzug mit Weste und Bundfaltenhose auf einer der obersten Treppenstufen und lachte uns aus. Von Höhenangst keine Spur. Wie wir war auch er vom Regen vollkommen durchnäßt, und die eckige Goldrandbrille verwehrte einen Blick in seine Augen, weil beharrlich Tropfen über die Gläser perlten. Er sah irgendwie wie ein dicklicher, völlig durchgeknallter Blinder aus, der im Wahn, wieder sehen zu können, seinem Krückstock für immer Ade gesagt hatte. Obwohl die Sorge unpassend war, fürchtete ich ernsthaft, der gute Mann könnte sich jeden Moment einen Fehltritt leisten und dann herunterkrachen wie eine abgeschossene Wildente.
    Doch nichts davon. Langsam, geradezu mit der spielerischen Leichtigkeit eines Ballettänzers begann Amöbius Mars zu uns hinabzusteigen.
    »Na, was sagt ihr zu der erstaunlichen Auflösung des Falles? Ist das nicht ein Mordsding - um im Genre zu bleiben? Ach, ich vergaß: Ihr könnt mir ja nicht antworten. Eure Sprache ist eine andere. Schade, schade, wir hätten tagelang über das Motiv diskutieren können, ich meine, wir vom Fach. Ja, ja, der Krieg ... Es wird immer schlimmer, findet ihr nicht? Ich weiß nicht, ob ihr fernseht und ob ihr den Sinn dieser Fernsehbilder verstehen könnt, aber ist euch schon mal aufgefallen, daß in jedem Kanal die Farbe grün dominiert? Grün ist die Farbe der Hoffnung, sagt man. Doch die Dominanz des Grüns im Fernsehen rührt weder daher, daß dieses Medium möglichst viel Hoffnung verbreiten möchte, noch, daß man uns Gärtner als neue Zielgruppe ausgemacht hat. Nein, es ist so reichlich Grün in der Flimmerkiste, weil sich darin so viele Menschen in Uniform tummeln. Sie vollbringen Heldentaten in den Filmen und radieren ganze Planeten in den Videospielen aus. Doch die Masse der Bilder von Uniformierten ist echt. Sie bilden die pure Realität ab. Diese Soldaten gehen wahrhaftig in allen Winkeln der Erde ihrer verdienstvollen Aufgabe nach. Es ist einfach zum Kotzen, man kann keinen Sender mehr finden, in dem nicht diese grünen Männchen ihre stereotypen Victory-Finger oder die Phalluskanonen ihrer beschissenen grünen Panzer der Kamera entgegenstrecken. Ich kann sie alle nicht mehr sehen! Das Grün, besonders das Olivgrün, hat Hochkonjunktur, wie es scheint. War das schon immer so, liebe Kinder und Haustiere? Ich habe nicht den blassesten Schimmer!«
    Stufe um Stufe, wie ein Wurm, der sich unerbittlich seinem Untergang entgegenwindet, war der weise Professor die Wendeltreppe bereits zu einem Drittel heruntergekommen. Dabei schien er eher mit sich selbst zu philosophieren, als ein wirkliches Geständnis abzulegen. Hektor, durch das anhaltende Hochschauen wie ich einer Genickstarre nahe, begann wieder mit den Hinterpfoten zu scharren und ein grimmiges Geknurre anzustimmen.
    »Der Krieg hat aber auch etwas Positives, verehrte Zuhörer«, fuhr Amöbius Mars fort, ohne in seinem Zeitlupenabstieg innezuhalten. »Er bringt die beste Eigenschaft des Menschen zum Vorschein: Leidenschaft in solch geballter Konzentration, daß
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