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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
Autoren: Akif Pirinçci
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suggerierenden Aufklebern wie »Kennedy Airport« oder »Sidney«. Sie reflektierten das aus dem Arbeitszimmer hereinflutende Sonnenlicht. So war das also! Es handelte sich keineswegs um den Einstandsbesuch im Hause Romeo, nein, Julia wollte gleich den ganzen Laden übernehmen. Für einen Wutausbruch allerdings blieb keine Zeit. Fluchtreflex und Enttäuschung hatten mich in einen derartigen Geschwindigkeitsrausch versetzt, daß ich bei dem selbstmörderischen Affentempo glattweg eine Mauer hätte durchbrechen können, wäre sie plötzlich vor mir aufgetaucht. Phantasievolle Vergleiche ersinnen ist jedoch eine Sache, sich ihnen stellen, wenn sie Wirklichkeit geworden sind, wiederum eine ganz andere. Die Mauer war nämlich in Gestalt des Koffergebirges schon längst da. Eine Vollbremsung versuchte ich erst gar nicht, und bevor ich die Schicksalswendung noch ausführlicher verarbeiten konnte, knallte ich mit dem Schädel frontal gegen den mächtigsten und längskant aufgerichteten der abgestellten Koffer. Dieser ließ als die letzte wache Tätigkeit meines Hirns nur mehr die Assoziation eines Grabsteins aufkommen, nämlich meines eigenen, auf dem Schopenhauers vortrefflichster Ausruf eingraviert stand: »Die Wahrheit ist: wir sollen elend sein - und sind's!«

Zweites Kapitel
     
     
    Ich hätte in meiner Ohnmacht verweilen sollen, denn keine noch so tiefe Besinnungslosigkeit kann schlimmer sein als die schlagartige Entwöhnung von allen liebgewonnenen Alltagsroutinen. Und nichts kann mehr verheerenden Schaden anrichten als ein weibliches Wesen, das in das genaugenommen nur paradiesisch zu nennende Leben eines eingefleischten Junggesellen einbricht wie eine biblische Heimsuchung. Um es wie ein Staatskundler auszudrücken, wurde Gustavs und mein auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, eher jedoch auf vollkommene Gemütlichkeit beruhender Bund von einem totalitären Usurpator mit allen dazugehörigen administrativen Schreckensmaßnahmen zerschlagen, und es wurde ein Terrorregime errichtet, das kleinste Vergehen erbarmungslos ahndete. Die eigentliche Tragödie lag jedoch darin, daß mein nun im Zenit seiner Debilität stehender Lebensgefährte zum Widerstand wenig taugte.
    Gerade war ich wieder zu Bewußtsein gekommen - es wunderte mich, daß die beiden mich im Schlafzimmer auf das Bett gelegt und nicht gleich in die Mülltonne geschmissen hatten -, da hörte ich wie von fernen Schlachtfeldern unsere neue Generalin mit einer hundsgemeinen Strategie bereits die Macht an sich reißen. Sie fand alles wundervoll, einfach wundervoll, so drang ihre an das nicht enden wollende Schockbremsen eines Güterzugs erinnernde Stimme an meine Ohren - aber sei Gustav überhaupt aufgefallen, wie steril der weiße Anstrich die Wohnung erscheinen lasse? Typisch Mann! Von der psychosomatischen Wechselwirkung zwischen Wandfarbe und persönlichem Wohlbefinden keinen Schimmer. Nie könne sie es in einem Heim aushalten, das nicht apricot-rosa angestrichen wäre. Und die Nachbildung des mit Blattgold verzierten babylonischen Frieses an der Wand - meine Güte, lebten wir in einem Museum? Ein »Lichtenstein« sei zwar kostspielig, aber gleichzeitig auch eine Geldanlage. Über Geschmack ließe sich ja streiten, doch das Arbeitszimmer strahle ja wirklich den Charme eines Pfandleihhauses in Kalkutta aus. Das Wort Chaos sei noch zu geschmeichelt dafür. Am besten laufe er gleich in die Stadt und besorge einen Stapel Aktenordner, damit sie seine Unterlagen systematisieren könne. Wenn er denke, daß sie das halbaufgegessene Kotelett im Spülbecken übersehen habe, sei er falsch gewickelt. Wisse er überhaupt, daß Fleischnahrung einen umbringen könne! Nun ja, jetzt würden sich nicht nur die Eßgewohnheiten ändern. Und was dieses Vie ... Tier anginge, so müßten auch einem Lebewesen mit »extrem niedriger Intelligenz« gewisse Dinge andressiert werden. Nein, sie hege wegen der Szene von vorhin keinen Groll, aber schließlich sei Gustav nicht Tarzan und sie noch weniger Jane, und keineswegs gedenke sie ihr künftiges Leben als eine Art Mutter Theresa der Haustiere zu verbringen. Ganz im Vertrauen, sie stehe eigentlich auf Hunde ...
    Bedurfte es weiterer Drohungen, um mir begreiflich zu machen, daß meine Tage im Garten Eden gezählt waren? Offenkundig schon! Denn mit der Erkenntnis des Unheils wird meist auch der faule Kompromiß geboren. Das Hirn von Säugetieren scheint derart konstruiert zu sein, daß es selbst der ausweglosesten Situation
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