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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
Autoren: Akif Pirinçci
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kann.
    Bis vor ein paar Jahren bestand seine Haupteinnahmequelle aus dem Abfassen von Schmonzetten für Frauenjournale unter dem Namen »Thalila«, ein Pseudonym, das in Anbetracht des Schunds, der da fabriziert wurde, fürwahr eine schiere Explosion von Kreativität bedeutete. Das Muster derlei Dummacher war stets dasselbe: Unter mysteriöser Frigidität leidende Mutter von acht Kindern vertraut sich einem Gynäkologen mit dem Erscheinungsbild von Bela Lugosi an, der sie unter dem Vorwand einer gründlichen Untersuchung narkotisiert, mehrmals vergewaltigt, ihr das Geschlecht umwandelt und später vor Gericht empörenderweise behauptet, er habe unter dem Einfluß von Lachgas gestanden, damit auch noch auf Bewährung davonkommt und einen Tag später den Nobelpreis erhält. Alles klar? Fairerweise sei gesagt, daß Gustav weit davon entfernt war, irgendeine Erfüllung in dieser Tätigkeit zu finden. Sie diente lediglich dem Broterwerb. Als Professor für Ägyptologie erwarb er sich parallel zu der elenden Federfuchserei den Ruf einer Koryphäe in seinem Fach. Dies schlug anfangs kaum wahrnehmbar, dann aber durch sensationelle Veröffentlichungen immer ansehnlicher zu Buche. Schließlich konnte er die von ihren Schwiegermüttern drangsalierten Neuverheirateten ganz fahrenlassen und sich ausschließlich seinen geliebten Mumien und mir widmen.
    Das heißt nicht, daß unsere Beziehung dadurch irgendwie entspannter wurde. Erlöst von dem folternden Gedanken, ob das Honorar des soeben verbockten Machwerkes die nächste Stromrechnung begleichen würde, behandelte er mich wegen des Überflusses an Zeit und Muße erst recht wie ein neuzeitlicher Vater, der mittels eines Gebräus aus tarifrechtlichen Finten und obskuren Appellen aus der Feministinnenfront seinen schönen Beruf aufgibt, um die Rolle der Mutter auszuprobieren. Seine früheren Fürsorgeattacken hatten mich schon oft darüber sinnieren lassen, warum er sich ausgerechnet mich anstatt einer Kuscheldecke angeschafft hatte. Doch nun ging mir das andauernde Babyplappern und das Locken mit immer exquisiteren Leckereien wirklich auf den Geist. Ein Ersatz, jawohl, nichts anderes als ein Ersatz war ich für diesen Lebensversager, der die Rundungen von Frauen nur aus nudismuslastigen Videos kannte und ihre Psyche aus genau den Zeitschriften, für die er einmal geschrieben hatte. Ein Liebesersatz für einen Eremiten, den sein schrulliges Dasein zu den absonderlichsten Ritualen verleitete - wie dem nervtötenden Getue mit seinen tausend Pfeifen und Tabaken - und für den jeder Tag mit mindestens zwei Flaschen französischem Rotwein ausklang,- da die Nacht die Selbsterkenntnis besonders schmerzhaft förderte. Ein Ersatz für Kinder, die nie gezeugt wurden, und für Freunde, die nie an die Tür klopften.
    Fast glatzköpfig, geschlagen mit dem bösartigsten Krummrücken der Orthopädiegeschichte und einem Blick, der melancholischen Flußpferden in den Wechseljahren nicht unähnlich ist, wurde dieser Streichelterrorist nach seinem Abtritt als Karl May der sexuell belästigten Sekretärinnen für mich immer mehr zu einer Plage. Ich habe nichts gegen maßvolle Fellpflege, aber das beständige Gefühl, nur ein Ausgleich für die verpfuschte Existenz eines alten Professors zu sein, machte mich traurig und zornig zugleich. Völlig zu Recht schwebt jetzt die Frage im Raum, weshalb ich es bei soviel erdrückender Zuneigung eigentlich nicht vorzog, eines Nachts meine sieben Sachen zu packen und ein paar Türen weiter zu dem schwerbeschäftigten Yuppie zu ziehen, bei dem mir lediglich die Aufgabe zufallen würde, während seiner Champagnerparties als Präsentierstück auf seiner Le-Corbusier-Chaiselongue zu hocken.
    Nun, es gab wenige, wenngleich gewichtige Gründe zu bleiben. Zunächst einmal war da die Sache mit dem hohen Bildungsniveau. Gustav mochte menschlich ein Volltrottel sein, aber sein intellektueller Horizont stand für Kultur und Wissenschaft weit offen, bisweilen auch für die Philosophie, wobei er sich allerdings im Gegensatz zu mir niemals in die finsteren Abgründe eines Schopenhauer hinabbegeben hatte. Selbstverständlich gibt es auch Artgenossen, die es, vorsichtig ausgedrückt, deftig mögen. Doch ich erinnere mich noch gut an das Entzücken, das ich als Kind empfand, wenn ich auf seiner Schulter saß, in die Bücher, die er las, spähte, mir so das Lesen selbst beibrachte und schließlich ebenso von dieser süßen Pest angesteckt wurde. Oder an die Mahler- und
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