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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
Autoren: Akif Pirinçci
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aufputschen ließ, in denen das Landleben in den wärmsten Weizenfarbtönen als eine Art nie endendes Picknick mit mindestens acht Sonnenauf- und -untergängen am Tag dargestellt wurde. Selbst ich wurde langsam ein Geschädigter von derlei Illusionen. Ich sah mich schon im Geiste in aller Herrgottsfrühe durch fruchtbare Wiesen streifen und im Akkord die Bestände irgendwelcher undefinierbarer Fische am Flußufer dezimieren, die ich mit einer Riesenschüssel von Gustav eigenhändig gemolkener Milch verschlang. Und nichts als frische Luft, frische Eier von nistenden Vögeln (sicherlich direkt auf den Schornsteinen unseres Gehöftes) und ewig frische Kolleginnen in nymphomanischem Wahn gab es in meinem Disney-Farmland der Hirngespinste, nur keine Mickymäuse, denn die zu fressen bereitete mir selbst im Traum Übelkeit. Mit diesen Schwärmereien wappnete ich mich gegen Horrormeldungen, die aus der bösen Stadt zu mir drangen und von Schwestern und Brüdern handelten, denen humorvolle Burschen einen Eisenstab in den After gerammt hatten.
    »Der Wunsch ist seiner Natur nach Schmerz: die Erreichung gebiert schnell Sättigung: das Ziel war nur scheinbar: der Besitz nimmt den Reiz weg: unter einer neuen Gestalt stellt sich der Wunsch, das Bedürfnis wieder ein: wo nicht, so folgt Öde, Leere, Langeweile, gegen welche der Kampf ebenso quälend ist wie gegen die Not.« Hier irrte Schopenhauer! Denn als mein Wunsch, der Urbanität Lebewohl zu sagen, endlich in Erfüllung ging, stellte sich keineswegs Öde, Leere und Langeweile ein, sondern nacktes Entsetzen. Voilà! Dies ist die wahre Geschichte eines Traumes, aus dem ein Alptraum wurde ...
    Der Schlaf, der bei mir entgegen dem Augenschein weniger Qualität besitzt als beim Menschen ( 1 siehe Anmerkungen am Ende des Buches ), war vorübergezogen wie ein schwüler Wind, der uns einerseits in wohliger Wärme wiegt und andererseits sachte zu ersticken droht. Krause Gedanken über meine kleine Welt und die darin doch so groß scheinenden Probleme hatten das Dösen verseucht und daraus, wie gewöhnlich beim Mittagsnickerchen, einen sauren Trunk der zwanghaften Schwarzmalerei destilliert. Ich war aber trotzdem ausgeruht und konnte einen ersten Blick in die helle Welt riskieren. Vielleicht sollte ich gleich zum Kühlschrank laufen, die Krallen der linken Pfote im weißen Abdichtgummi versenken, langsam rückwärtsgehen, auf diese Weise die Tür aufschnappen lassen und mich dann ausgiebig an der frischen italienischen Baguettesalami gütlich tun. Auf den Trick des Kühlschranktüröffnens kann man nicht oft genug hinweisen, da viele Berufsgenossen in ihrer Gier aufgeregt an der Tür kratzen oder zerren und dabei vollkommen außer acht lassen, daß die Muskelkraft eines kleinen Ärmchens kaum ausreicht, einen derart fest zusammengepappten Sesam zum Öffnen zu bringen. Um Erfolg zu haben, verwende man ganz simpel die Klauen als Enterhaken, den gesamten Körper als Zugmaschine und die Pfote als Übertragung der Zugenergie. Ach ja, Türzuschlagen nicht vergessen!
    Ich öffnete also die Augen.
    Direkt vor meiner Nase sah ich ein Gesicht. Manchmal besitzt der Schlaf die heimtückische Eigenschaft, daß man glaubt, man sei aufgewacht, obgleich in Wirklichkeit das Gaukelspiel des Träumens weiterläuft. Daran glaubte ich auch jetzt. Denn das, was ich erblickte, gehörte weder in meine Erfahrungswelt noch zu Welten, in denen ich irgendwelche Erfahrungen sammeln wollte. Man hat mir oft vorgeworfen, daß ich Leute mit schillernden Figuren aus der Populärkultur, vornehmlich aus der Filmkunst, vergleiche, und so das Objekt der Beschreibung für den Außenstehenden effekthascherisch, das heißt letztlich falsch reflektiere. Nun, ich gelobe Besserung - aber ein letztes Gleichnis der hollywoodschen Art sei mir noch gestattet, da es den Nagel diesmal wahrhaftig auf den Kopf trifft. Das Gesicht der zu mir bis auf dreißig Zentimeter Entfernung hinuntergeneigten Frau war eine richtiggehende Kopie der Schauspielerin Joan Crawford. So wie bei der Diva bestanden ihre Augenbrauen aus wülstigen, kohlschwarzen Halbovalen, die maskenhaft und bedrohlich wirkend über den ins Uferlose getuschten Wimpern und tischtennisballgroßen Augäpfeln lasteten. Die ganze Miene mit der kantigen, offensichtlich einem Ingenieurbüro für Schwermaschinenbau entsprungenen Kinnlade konzentrierte sich auf die feuerwehrrot gefärbten Lippen. Diese waren mittels des Konturenstiftes beinahe um das Doppelte ihres Umfangs
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