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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes
Autoren: Jan Guillou
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Leuchtreklame an der Spitze des Klinkerbaus gegenüber, die ihm nicht zum ersten und wohl auch nicht zum letztenmal verriet, daß in dem Haus ein Presseorgan arbeitete, das sich in seiner strammen antisowjetischen Haltung in Skandinavien von niemandem übertreffen ließ.
    Andererseits jedoch war Svenska Dagbladet in seinem ständigen Bemühen, der sozialdemokratischen Regierung mit Hilfe geheimer militärischer Angaben etwas am Zeug zu flicken, zugleich eine der wichtigsten und zuverlässigsten offenen Quellen für die Nachrichtenbeschaffung des GRU: ein sehr hilfreicher Feind also.
    Und das galt auch für diesen Fall, dem sich die Zeitung mit einer ausführlichen Hintergrundanalyse widmete.
    Er hatte den Bericht noch nicht unterzeichnet, sondern nur einige Anlagen mit seiner Paraphe versehen. Die eigentliche Zusammenfassung lag daneben auf seinem im übrigen völlig leeren Schreibtisch.
    Er ging zurück und las die Zusammenfassung noch einmal durch.
    Alle logischen Folgerungen mußten von der Chronologie der Ereignisse ausgehen.
    Am 26. September hatte die schwedische Regierung Stig Sandströms Gnadengesuch abgelehnt. Die Strafvollzugsbehörden und der zivile Sicherheitsdienst hatten das Gesuch befürwortet, aber die militärische Führung hatte abgelehnt.
    Eine Woche vor seinem achtundvierzigstündigen Hafturlaub am 6. und 7. November hatte Sandström erfahren, daß er so gut wie unbewacht sein würde. Dieses wiederum bedeutete, daß ein Beamter der Strafvollzugsbehörde ihn bis zur Wohnung seiner Frau gefahren hatte. Die Sicherheitspolizei hatte zwei Mann dazu abgestellt, das Haus zu überwachen, jedoch nur von der Vorderseite. Da der Häftling folglich durch den Hinterausgang entwichen war, hatte der Chef der schwedischen Reichspolizeiführung erklärt - in vollem Ernst, nämlich im offiziellen Nachrichtenprogramm des staatlichen Fernsehens -, man habe nur die Vorderseite des Hauses bewacht, »da normalerweise kein Besucher durch den Hintereingang kommt«.
    Und da die Sicherheitsbeamten ihre Überwachung zudem um vierundzwanzig Uhr abgebrochen hatten, was offenbar etwas mit Überstundenregelungen und Vereinbarungen mit der Gewerkschaft zu tun hat, hatte derselbe Reichspolizeichef auf die gleiche offizielle Weise erklärt, »normalerweise dürften nach Mitternacht keine Besucher mehr zu erwarten sein«.
    Die neuen Bewacher des Sicherheitsdienstes hatten am folgenden Morgen um acht Uhr ihren Dienst angetreten, etwa acht Stunden nach dem vermuteten Zeitpunkt der Flucht, und sie hatten sich überdies nicht der Anwesenheit des Beobachtungsobjekts versichert, sondern sich damit begnügt, gut vier Stunden in ihrem Wagen zu sitzen und eine Haustür und einen Leihwagen anzustarren.
    Und als der begleitende Beamte der Strafvollzugsbehörde erschienen war, um den Häftling abzuholen, hatten sie ihren Dienst ohne weiteres beendet und waren weggefahren.
    Als der Beamte der Strafvollzugsbehörde die Wohnung leer fand, rief er zunächst das Gefängnis in Norrköping an, dann die diensthabenden Kriminalbeamten in Norrköping und schließlich den Sicherheitsdienst.
    Beim Sicherheitsdienst fand man es eigentümlich, daß Sandström verschwunden sein sollte, »denn sein Wagen stand doch noch vor der Haustür«, was die wachhabenden Beamten bestätigen konnten.
    Der Sicherheitsdienst entschloß sich daher, zusammen mit dem Beamten der Strafvollzugsbehörde zum Stockholmer Hauptbahnhof zu fahren, »um zu sehen, ob Sandström auftauchen würde«.
    Er tat es nicht.
    Die Polizei in Norrköping ging davon aus, daß die Säpo eine landesweite Fahndung ausgelöst hatte. Die Säpo wiederum war der Meinung, eine landesweite Fahndung sei eine Maßnahme, die nicht vom Sicherheitsdienst veranlaßt werden müsse. Folglich hatte niemand Alarm geschlagen. Um diese Zeit befand sich Sandström schon in Helsinki.
    Gut vierundzwanzig Stunden nach der Flucht wurde die landesweite Fahndung ausgelöst. Die Polizei veröffentlichte von Sandström und seiner Frau falsche Fahndungsfotos.
    Weitere vierundzwanzig Stunden später wurde entdeckt, daß Frau Annalisa Sandström nicht einen, sondern drei Wagen gemietet hatte. Das wurde von der kurz zuvor eingesetzten Fahndungsleitung der Polizei als »Durchbruch in den Ermittlungen« bezeichnet.
    Anschließend hatte man sich rund vierundzwanzig weitere Stunden der Aufgabe gewidmet, einen der drei Leihwagen zu bewachen, der mit deutlichen Diebstahlspuren in einem Stockholmer Vorort aufgefunden worden war.
    Danach
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