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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes
Autoren: Jan Guillou
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sprachen jedoch eine völlig andere Sprache; sämtliche sowjetischen Agenten bei der schwedischen Sicherheitspolizei berichteten von Panik und Verwirrung.
    Jurij Tschiwartschew hob seinen dicken französischen Füllfederhalter und schraubte langsam die Kappe ab. Er betrachtete kurz die Goldfeder, schlug dann entschlossen die letzte Seite des zusammenfassenden Berichts auf und unterschrieb langsam und deutlich. Danach drückte er den Knopf der Gegensprechanlage, mit dem er seinen persönlichen Chiffriertechniker zu sich rief.
    Ein blasser und etwas pickliger Fähnrich aus einer der Baltenrepubliken trat ein und erhielt Anweisung, den Haupttext chiffriert an Zentral weiterzuleiten und das Original mit der nächsten Diplomatenpost nach Moskau zu schicken.
    »So ja, mein guter Genosse Sandström«, brummte er, als er wieder allein war, »du bist soeben mit dem Leben davongekommen. Möglicherweise hast du einen neuen Job bekommen, wie du ihn dir vielleicht nicht vorgestellt hast.«
    Sandström war nur ein einfacher Agent gewesen, einer von vielen bei der schwedischen Sicherheitspolizei. Jurij Tschiwartschew erinnerte sich noch recht genau an die Einzelheiten des Falls Sandström, obwohl die Akte schon vor gut einer Woche nach Moskau geschickt worden war. Sandström unterschied sich von den anderen vor allem dadurch, daß man ihn erst lange nach seiner Ernennung zum Offizier und Sicherheitsbeamten angeworben hatte. Das war sonst nicht üblich. Normalerweise ging man beim GRU von der einfachen Voraussetzung aus, daß die schwedische Sicherheitspolizei ihren Nachwuchs bei der Polizei rekrutiert. So war es dem GRU gelungen, Studenten anzuwerben und sie zu überreden, ihre akademischen Studien aufzugeben und sich statt dessen bei der Polizeischule in Solna zu bewerben. Die Fortsetzung war bis auf einzelne Ausnahmen immer die gleiche. Die jungen Leute brauchten sich nach einigen Jahren Dienst bei der Sicherheitspolizei nicht einmal selbst zu bewerben, sie wurden angeworben. Seit fünfundzwanzig Jahren war dies das ideale Einfallstor gewesen.
    Sandström hatte sich jedoch als nachlässig erwiesen, als Weiberheld, Alkoholiker, Abenteurer und zudem als etwas so Einfältiges wie ein überzeugter Antisemit. Man hatte ihn ursprünglich während seiner Dienstzeit für die UNO im Nahen Osten gewinnen und dazu bewegen können, für die »Sache des Friedens und der Gerechtigkeit« zu arbeiten, indem er Nachrichten über die Israelis beschaffte. Allerdings gegen gute Bezahlung.
    Die Frage war, ob eine solche Person den Arbeitsaufgaben, die jetzt in Frage kamen, überhaupt gewachsen war. Die Agenten in Schweden arbeiteten mit passiver Nachrichtenbeschaffung, und beim GRU wurde sorgfältig darauf geachtet, daß sie nicht in Situationen gerieten, in denen sie ihre Kollegen gefährden konnten.
    Ein Skandinavien-Direktorat von Zentral hatte jedoch eher offensive Aufgaben. Jetzt sollten also die Möglichkeiten geprüft werden, diesen Saufkopf zu einem offensiven Instrument gegen seine Landsleute umzumodeln.
    Doch darüber brauchte sich Jurij Tschiwartschew nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Wenn die Umschulung in Moskau oder woanders einigermaßen erfolgreich war, würde Tschiwartschew früher oder später erfahren, welche operativen Ziele diesem Sandström in Schweden gestellt werden würden.
    Tschiwartschew wollte die Überlegungen über Sandström gerade beenden, als sein Blick auf ein Porträt in Öl fiel, das seinem Schreibtisch gegenüber an der Wand hing, neben den Karten von Schweden und der Region Stockholm.
    Fjodor Matrejewitsch Apraksin stand auf einem kleinen Messingschild unter dem Bild. Außer Jurij Tschiwartschew selbst wußte in der Botschaft kein Mensch, warum dort das Porträt eines Seehelden des zaristischen Rußland hing. Niemand hatte gewagt, auch nur eine Andeutung von Kritik zu äußern oder sich überhaupt nach dem Grund zu erkundigen; ein Resident des GRU kann sich fast alles erlauben.
    Apraksin war jedoch der Name einer von drei sowjetischen Unterwasser-Anlagen in den Schären von Stockholm gewesen. Es waren mit Hightech vollgestopfte Anlagen gewesen, die zum Besten gehört hatten, was die Streitkräfte der Sowjetunion entwickelt hatten, und in einem eventuellen, nun ja, höchst eventuellen Krieg hätten diese Spielzeuge eine sehr interessante Rolle übernehmen können.
    Leute vom schwedischen Nachrichtendienst hatten jedoch vor dreizehn Monaten alle drei Anlagen gesprengt. Dieses Kommando hatte sogar hinter dem
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