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Fehlfunktion - Warum Frischhaltefolie nie gerade abreißt und andere Alltagsärgernisse

Fehlfunktion - Warum Frischhaltefolie nie gerade abreißt und andere Alltagsärgernisse

Titel: Fehlfunktion - Warum Frischhaltefolie nie gerade abreißt und andere Alltagsärgernisse
Autoren: Konrad Lischka
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stellen sich Maschinen gerne dumm. Dann fragt Windows zum Beispiel nach, ob ich »die existierende Datei« mit »dieser ersetzen möchte«, und zeigt zwei Dateien, die denselben Namen tragen, am selben Tag, zur selben Uhrzeit, ja sogar in derselben Sekunde erstellt wurden und zudem exakt dieselbe Größe haben. Es gibt keine dummen Fragen?
    Stur sind sie, die Kleinen. Legendär ist diese Windows-Falle: Kopiert man mehrere Dateien und will am Zielort Dateien gleichen Namens nicht überschreiben, bietet Windows XP dem Nutzer eine Auswahlmöglichkeit zu wenig an. Man darf auf »Ja«, »Ja, alle«, »Abbrechen« oder »Nein« klicken. Es gibt sehr viele Menschen, die sehr gerne »Nein, keine« anklicken würden, was in Maschinensprache wahrscheinlich aller Logik zum Trotz »Nein, alle« heißen würde. Diesen Generalerlösungsknopf gibt es nicht. Windows will eben für jede Datei einen eigenen Klick. Nur überschreiben kann man alles mit einem Pauschalurteil, warum auch immer.

    Eltern werden dieses Verhalten kennen. Wer hat sich nicht schon einmal einen »Nein, alle«-Knopf gewünscht, wenn nach einem »Schmeiß das Essen nicht auf den Tisch, das macht Flecken« eine Fragerunde losgeht wie:
    Aber die Kartoffeln?
    Nein.
    Und die Möhren?
    Auch nicht.
    Und die Erbsen?
    NEIN, ALLE!
    Ich glaube, Kinder haben das schon gemacht, bevor es Windows gab. Aber ich bin mir da nicht so sicher. Im Gegensatz zu Maschinen wirken sie wenigstens irgendwann erwachsen und bleiben das auch die meiste Zeit.
    Beim Essen sind Maschinenkinder sehr wählerisch. In der Speicherkartendiele wollen sie immer nur ihre Lieblingssorte. Die ist meistens nicht da, und dann werfen sie sich auf den Boden und machen gar nichts. Getränke sind auch schwierig: Kleine Maschinen sind meistens auf eine Geschmacksrichtung fixiert, und die trinken sie nur durch ihren Lieblingsstromhalm (auch Netzteil genannt).
    Und sollten Sie einmal versuchen, ein paar Geräte mit einem
Computer spielen zu lassen, geht das Geplärre los, wenn man nicht das richtige Spielzeug dabeihat. USB-Kabel heißt es und sollte eigentlich einmal ein universelles Gruppenruhigstellungsmittel wie der Fernseher werden. Das hat beim USB-Kabel nicht geklappt. Ein Ende dieser Kabel ist meistens gänzlich anti-universell. Nämlich das, das in das Telefon, die Digitalkamera oder den MP3-Player soll. Da gibt es 4-, 5- und 8-polige Mini-Stecker, manche sind 4,8, andere 6,9 Millimeter breit. Den MP3-Player kann man nicht mit dem USB-Kabel der Videokamera an den Rechner anschließen, ebenso wenig wie den Digitalfotoapparat.
    Die Folge: Wer mit Mobiltelefon, MP3-Player, Kamera und Navigationssystem wegfährt, hat im Urlaub eine pralle USB-Tüte dabei. Und dann noch eine für die Netzteile. Wer dann zusätzlich zu den Maschinen auch noch seine Kinder mitnehmen will, reist heute notgedrungen in zwei Fuhren. Hoteliers haben das Problem erkannt und bauen inzwischen neben ihre Kinderhotels auch Maschinenherbergen voller Kabel und Speicherkarten. Wenn man Glück hat, gibt es da auch noch freie Plätze in den Maschinenbetreuungsgruppen.
    Die Bundesregierung verspricht berufstätigen Maschinenversorgern Tageseinrichtungen für Geräte unter drei Jahren. Man gibt morgens die Streithähne ab und kann den ganzen Tag arbeiten statt umzustöpseln, Fragen zu beantworten und Handgreiflichkeiten zwischen Treibern zu schlichten. Die Verfasser einer Pro-Maschinchenkrippen-Studie haben ausgerechnet, dass jeder Krippenplatz einen ganz erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen hätte - fast 2000 Euro pro Gerät.
    Dort würden auch all die Techniker gut unterkommen, die eine Überdosis pubertierender Maschinchen abbekommen haben
und seither in Sanatorien manisch Kabel suchen, Akku-Memory spielen, Speicherkarten sortieren und dabei brüllen: »NEIN, ALLE!«
    Ich stopfe die Funkfestplatten in die Maschinchenkiste, schließe den Deckel, schubse sie auf den Schrank. Gute Nacht! Bis morgen.

1. Auflage
    Originalausgabe Juni 2010
    Copyright © 2010 by Konrad Lischka
    Copyright © dieser Ausgabe 2010 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
     
     
    Redaktion: Wiebke Rossa
KF · Herstellung: Str.
Layout und Satz: dtp im Verlag, Sabine Frohmader
     
     
    eISBN 978-3-641-05228-7
     
    www.goldmann-verlag.de
    www.randomhouse.de
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