Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Faust: Der Tragödie zweiter Teil

Faust: Der Tragödie zweiter Teil

Titel: Faust: Der Tragödie zweiter Teil
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
Vom Netzwerk:
diesen
  Hans Raufbold, den behenden Riesen,
  Auf seine Weise rasch geschäftig.
      KAISER:
  Erst sah ich einen Arm erhoben,
  Jetzt seh' ich schon ein Dutzend toben;
  Naturgemäß geschieht es nicht.
      FAUST:
  Vernahmst du nichts von Nebelstreifen,
  Die auf Siziliens Küsten schweifen?
  Dort, schwankend klar, im Tageslicht,
  Erhoben zu den Mittellüften,
  Gespiegelt in besondern Düften,
  Erscheint ein seltsames Gesicht:
  Da schwanken Städte hin und wider,
  Da steigen Gärten auf und nieder,
  Wie Bild um Bild den äther bricht.
      KAISER:
  Doch wie bedenklich! Alle Spitzen
  Der hohen Speere seh' ich blitzen;
  Auf unsres Phalanx blanken Lanzen
  Seh' ich behende Flämmchen tanzen.
  Das scheint mir gar zu geisterhaft.
      FAUST:
  Verzeih, o Herr, das sind die Spuren
  Verschollner geistiger Naturen,
  Ein Widerschein der Dioskuren,
  Bei denen alle Schiffer schwuren;
  Sie sammeln hier die letzte Kraft.
      KAISER:
  Doch sage: wem sind wir verpflichtet,
  Daß die Natur, auf uns gerichtet,
  Das Seltenste zusammenrafft?
      MEPHISTOPHELES:
  Wem als dem Meister, jenem hohen,
  Der dein Geschick im Busen trägt?
  Durch deiner Feinde starkes Drohen
  Ist er im Tiefsten aufgeregt.
  Sein Dank will dich gerettet sehen,
  Und sollt' er selbst daran vergehen.
      KAISER:
  Sie jubelten, mich pomphaft umzuführen;
  Ich war nun was, das wollt' ich auch probieren
  Und fand's gelegen, ohne viel zu denken,
  Dem weißen Barte kühle Luft zu schenken.
  Dem Klerus hab' ich eine Lust verdorben,
  Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben.
  Nun sollt' ich, seit so manchen Jahren,
  Die Wirkung frohen Tuns erfahren?
      FAUST:
  Freiherzige Wohltat wuchert reich;
  Laß deinen Blick sich aufwärts wenden!
  Mich deucht, er will ein Zeichen senden,
  Gib acht, es deutet sich sogleich.
      KAISER:
  Ein Adler schwebt im Himmelhohen,
  Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen.
      FAUST:
  Gib acht: gar günstig scheint es mir.
  Greif ist ein fabelhaftes Tier;
  Wie kann es sich so weit vergessen,
  Mit echtem Adler sich zu messen?
      KAISER:
  Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen,
  Umziehn sie sich;—in gleichem Nu
  Sie fahren aufeinander zu,
  Sich Brust und Hälse zu zerreißen.
      FAUST:
  Nun merke, wie der leidige Greif,
  Zerzerrt, zerzaust, nur Schaden findet
  Und mit gesenktem Löwenschweif,
  Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.
      KAISER:
  Sei's, wie gedeutet, so getan!
  Ich nehm' es mit Verwundrung an.
      MEPHISTOPHELES:
  Dringend wiederholten Streichen
  Müssen unsre Feinde weichen,
  Und mit ungewissem Fechten
  Drängen sie nach ihrer Rechten
  Und verwirren so im Streite
  Ihrer Hauptmacht linke Seite.
  Unsers Phalanx feste Spitze
  Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze
  Fährt sie in die schwache Stelle.—
  Nun, wie sturmerregte Welle
  Sprühend, wüten gleiche Mächte
  Wild in doppeltem Gefechte;
  Herrlichers ist nichts ersonnen,
  Uns ist diese Schlacht gewonnen!
      KAISER:
  Schau! Mir scheint es dort bedenklich,
  Unser Posten steht verfänglich.
  Keine Steine seh' ich fliegen,
  Niedre Felsen sind erstiegen,
  Obre stehen schon verlassen.
  Jetzt!—Der Feind, zu ganzen Massen
  Immer näher angedrungen,
  Hat vielleicht den Paß errungen,
  Schlußerfolg unheiligen Strebens!
  Eure Künste sind vergebens.
      MEPHISTOPHELES:
  Da kommen meine beiden Raben,
  Was mögen die für Botschaft haben?
  Ich fürchte gar, es geht uns schlecht.
      KAISER:
  Was sollen diese leidigen Vögel?
  Sie richten ihre schwarzen Segel
  Hierher vom heißen Felsgefecht.
      MEPHISTOPHELES:
  Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren.
  Wen ihr beschützt, ist nicht verloren,
  Denn euer Rat ist folgerecht.
      FAUST:
  Von Tauben hast du ja vernommen,
  Die aus den fernsten Landen kommen
  Zu ihres Nestes Brut und Kost.
  Hier ist's mit wichtigen Unterschieden:
  Die Taubenpost bedient den Frieden,
  Der Krieg befiehlt die Rabenpost.
      MEPHISTOPHELES:
  Es meldet sich ein schwer Verhängnis:
  Seht hin! gewahret die Bedrängnis
  Um unsrer Helden Felsenrand!
  Die nächsten Höhen sind erstiegen,
  Und würden sie den Paß besiegen,
  Wir hätten einen schweren Stand.
      KAISER:
  So bin ich endlich doch betrogen!
  Ihr habt mich in das Netz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher