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Faust: Der Tragödie erster Teil

Faust: Der Tragödie erster Teil

Titel: Faust: Der Tragödie erster Teil
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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weiter.)
      WAGNER:
  Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,
  Bei der Verehrung dieser Menge haben!
  O glücklich, wer von seinen Gaben
  Solch einen Vorteil ziehen kann!
  Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
  Ein jeder fragt und drängt und eilt,
  Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
  Du gehst, in Reihen stehen sie,
  Die Mützen fliegen in die Höh;
  Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
  Als käm das Venerabile.
      FAUST:
  Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
  Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
  Hier saß ich oft gedankenvoll allein
  Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
  An Hoffnung reich, im Glauben fest,
  Mit Tränen, Seufzen, Händeringen
  Dacht ich das Ende jener Pest
  Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
  Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.
  O könntest du in meinem Innern lesen,
  Wie wenig Vater und Sohn
  Solch eines Ruhmes wert gewesen!
  Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
  Der über die Natur und ihre heil'gen Kreise
  In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
  Mit grillenhafter Mühe sann;
  Der, in Gesellschaft von Adepten,
  Sich in die schwarze Küche schloß,
  Und, nach unendlichen Rezepten,
  Das Widrige zusammengoß.
  Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier,
  Im lauen Bad der Lilie vermählt,
  Und beide dann mit offnem Flammenfeuer
  Aus einem Brautgemach ins andere gequält.
  Erschien darauf mit bunten Farben
  Die junge Königin im Glas,
  Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
  Und niemand fragte: wer genas?
  So haben wir mit höllischen Latwergen
  In diesen Tälern, diesen Bergen
  Weit schlimmer als die Pest getobt.
  Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben:
  Sie welkten hin, ich muß erleben,
  Daß man die frechen Mörder lobt.
      WAGNER:
  Wie könnt Ihr Euch darum betrüben!
  Tut nicht ein braver Mann genug,
  Die Kunst, die man ihm übertrug,
  Gewissenhaft und pünktlich auszuüben?
  Wenn du als Jüngling deinen Vater ehrst,
  So wirst du gern von ihm empfangen;
  Wenn du als Mann die Wissenschaft vermehrst,
  So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.
      FAUST:
  O glücklich, wer noch hoffen kann,
  Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!
  Was man nicht weiß, das eben brauchte man,
  Und was man weiß, kann man nicht brauchen.
  Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut
  Durch solchen Trübsinn nicht verkümmern!
  Betrachte, wie in Abendsonne-Glut
  Die grünumgebnen Hütten schimmern.
  Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
  Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.
  O daß kein Flügel mich vom Boden hebt
  Ihr nach und immer nach zu streben!
  Ich säh im ewigen Abendstrahl
  Die stille Welt zu meinen Füßen,
  Entzündet alle Höhn beruhigt jedes Tal,
  Den Silberbach in goldne Ströme fließen.
  Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf
  Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
  Schon tut das Meer sich mit erwärmten Buchten
  Vor den erstaunten Augen auf.
  Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;
  Allein der neue Trieb erwacht,
  Ich eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken,
  Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht,
  Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
  Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
  Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht
  Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
  Doch ist es jedem eingeboren
  Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
  Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
  Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
  Wenn über schroffen Fichtenhöhen
  Der Adler ausgebreitet schwebt,
  Und über Flächen, über Seen
  Der Kranich nach der Heimat strebt.
      WAGNER:
  Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
  Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.
  Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt;
  Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden.
  Wie anders tragen uns die Geistesfreuden
  Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
  Da werden Winternächte hold und schön
  Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
  Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen,
  So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.
      FAUST:
  Du bist dir nur des einen Triebs bewußt,
  O lerne nie den andern kennen!
  Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
  Die eine will sich von der andern trennen;
  Die eine hält, in derber
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