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Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01

Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01

Titel: Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01
Autoren: Die Flusswelt der Zeit
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vormachenden neunundsechzigjährigen Mannes, der er noch vor kurzem gewesen war. Auch die zahlreichen Narben, die ihn bedeckt hatten, waren spurlos verschwunden.
    Ihm fiel auf, daß unter all den in der nächsten Umgebung herumschwebenden Gestalten keine einzige greisenhaft wirkte. Wohin sein Blick auch reichte: Jede einzelne schien nicht mehr als fünfundzwanzig Jahre alt zu sein, obwohl es schwierig war, angesichts dieser glatzköpfigen und schamhaarlosen Ansammlung von Menschen exakte Schätzungen vorzunehmen: sie machten ausnahmslos zu gleicher Zeit sowohl einen jungen als auch alten Eindruck auf ihn.
    Er hatte einst damit geprahlt, keine Furcht zu kennen. Doch nun war es die nackte Angst in Person, die ihm einen Entsetzensschrei von den Lippen riß.
    Langsam hielt sie Einzug in seinen Körper, durchdrang ihn und drohte fast, den neuen Lebenswillen, der in ihm aufgeflammt war, wieder zu ersticken.
    Zunächst hatte ihn die Erkenntnis, immer noch zu leben, beinahe gelähmt.
    Jetzt schien die Erkenntnis, in diesem Nichts zu schweben und von all diesen leblosen Körpern umgeben zu sein, ihm die Sinne einzufrieren. Es war, als sähe er durch eine dicke Milchglasscheibe. Dann rastete etwas in ihm ein. Er glaubte es fast zu hören: Jemand schien ein Fenster aufgestoßen zu haben.
    Die Welt nahm plötzlich Umrisse an, die greifbar, wenn auch unverständlich waren. Über und unter ihm – egal, in welche Richtung er blickte – schwebten menschliche Gestalten in horizontaler Lage im Nichts dahin. Aber die Reihen setzten sich nicht nur nach oben und unten, sondern auch rechts und links und hinter und vor ihm fort. Begrenzt wurden sie von roten Stangen, die sich jeweils fünfundzwanzig Zentimeter von ihren Köpfen und Füßen entfernt befanden. Und was die Höhe anbetraf: Sowohl von der über als auch der unter ihm befindlichen Gestalt trennten ihn knapp zwei Meter.
    Die Stangen selbst ragten aus einem bodenlosen Abgrund und reichten in Höhen hinauf, deren Ende nicht sichtbar war. Die nebelhafte Dunkelheit, die ober- und unterhalb und in allen seitlichen Richtungen zu erkennen war, schien weder mit dem Firmament noch dem Erdboden identisch zu sein. Um sie herum befand sich nichts außer einer unendlichen, ewigen Weite.
    In der Nähe entdeckte er einen dunkelhäutigen Mann mit toskanischen Gesichtszügen. Ihm gegenüber schwebte eine Inderin und dahinter wiederum ein Mann mit nordischem Einschlag. Erst nachdem sich der Mann zum dritten Mal um die eigene Achse gedreht hatte, erkannte er, was an ihm so seltsam war: Sein rechter Arm war, von einem bestimmten Punkt unterhalb seines Ellbogens ab, rot, als besäße er dort keinerlei Haut.
    Ein paar Sekunden später entdeckte er in einer der anderen Reihen einen männlichen Körper, dem jegliche Haut und zusätzlich noch alle Gesichtsmuskeln zu fehlen schienen.
    Es gab noch andere Körper, die noch nicht völlig wiederhergestellt wirkten.
    Irgendwo in der Ferne, nur undeutlich zu erkennen, rotierte ein Skelett, in dessen Innern sich verschiedene Organe bewegten.
    Aber obwohl sein Herz wild hämmerte und in panischem Entsetzen gegen seinen Brustkorb schlug, setzte er die Beobachtungen fort. Und dann begann er zu begreifen, daß er sich in einer gewaltigen Kammer befand und daß die metallenen Stangen nichts anderes waren als Instrumente, die dazu dienten, eine Kraft auszustrahlen, in deren Einflußbereich sich Millionen – vielleicht sogar Milliarden – menschlicher Wesen wie in einem Grill drehten.
    Aber wo befand sich dieser Ort?
    Mit absoluter Sicherheit nicht im Triest des k.u.k. Österreich-Ungarn von 1890.
    Er glich keiner jener Höllen oder Himmel, von denen er gehört oder gelesen hatte – damit stellte sich seine Annahme, über jede Theorie des Lebens nach dem Tode informiert zu sein, als Fehlschluß heraus.
    Er war gestorben. Und jetzt lebte er. Er hatte ein Leben lang sämtliche Theorien über ein Leben nach dem Tode verspottet. Jetzt konnte er nicht mehr bestreiten, sich geirrt zu haben. Aber glücklicherweise befand sich niemand in der Nähe, der nun sagen konnte: »Ich habe es dir ja schon immer gesagt, du Ignorant!«
    Und er war der einzige unter all diesen Millionen, der nicht schlief.
    Nach einer erneuten Drehung, die schätzungsweise zehn Sekunden in Anspruch nahm, sah er etwas, das ihn nach Luft schnappen ließ. Fünf Reihen von ihm entfernt befand sich eine Gestalt, die auf den ersten Blick durchaus menschlich erschien. Aber kein Angehöriger der Rasse des
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