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Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01

Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01

Titel: Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01
Autoren: Die Flusswelt der Zeit
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erzeugte hysterische Lärm hatte sich nun von dem herzzerreißenden Heulen und Jammern zu einem unüberhörbaren Schwätzen gewandelt. Die Mehrheit der Leute redete aufeinander ein, obwohl niemand dem anderen zuzuhören schien. Burton war nicht in der Lage, auch nur ein einziges Wort zu verstehen. Manche der Männer und Frauen hielten einander in den Armen, drückten und küßten sich, als hätten sie sich in ihrem vorherigen Leben gekannt und einander erst hier wiederentdeckt.
    Inmitten der Menge saßen einige Kinder, von denen keines unter fünf Jahre alt zu sein schien. Wie die der Erwachsenen, waren auch ihre Köpfe barhäuptig. Die Hälfte von ihnen weinte und gestikulierte verzweifelt, während andere, ebenfalls laut jammernd, hin und her liefen, in die Gesichter der Älteren starrten und offensichtlich ihre Eltern suchten.
    Sein Atem begann sich zu normalisieren. Burton stand auf und wandte sich um.
    Der Baum, unter dem er stand, war eine rote (des öfteren fälschlicherweise als norwegische bezeichnete) Pinie. Sie war mehr als sechzig Meter hoch, und der danebenstehende Baum gehörte einer Art an, die Burton noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Er zweifelte daran, daß es ihn auf Erden je gegeben hatte. (Daß er sich nicht auf der Erde befand, war ihm klar, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen wäre, dafür einen speziellen Grund anzugeben.) Der Baum bestand aus einem dicken, knorrigen Stamm von schwarzer Farbe und verfügte über starke Äste, die dreieckige, beinahe zwei Meter lange Blätter trugen. Sie waren grün und scharlachrot gesprenkelt. Der Baum schien mindestens hundert Meter hoch zu sein, und jene, die in seiner Nähe standen, ähnelten weißen und schwarzen Eichen, Kiefern, Eiben und Tannen.
    Ab und an stieß er auch auf große, bambusähnliche Gewächse, und wo sich keine Bäume befanden, wuchs überall meterhohes Gras. Nirgendwo waren Tiere zu erblicken. Nicht einmal Insekten oder Vögel.
    Burton hielt nach einem Knüppel oder Stock Ausschau. Er hatte nicht die geringste Idee, was als nächstes auf der Tagesordnung der Zukunft dieser Menschenansammlung stand, aber wenn sie unbewacht und unkontrolliert vor sich hinlebte, würden sich sicher recht bald wieder die normalen Machtstrukturen bilden. Wenn der Schock erst einmal überwunden war, würde jeder zuerst einmal an sich denken, und das war gleichbedeutend damit, daß es Leute geben würde, die dafür über Leichen gingen.
    Er fand nichts, was ihm als Waffe hätte dienlich sein können. Ob er den Metallzylinder vielleicht dazu verwenden konnte? Er schlug ihn gegen einen Baum. Obwohl er ziemlich leicht schien, war er von einer extremen Härte.
    Burton öffnete den an einem Scharnier befestigten Deckel am anderen Ende des Zylinders. Das Innere enthielt sechs karabinerhakenähnliche Ringe. An jedem einzelnen baumelte eine Tasse, ein Teller oder andere Behälter aus grauem Metall. Er schloß den Deckel wieder. Er zweifelte nicht daran, daß er über kurz oder lang herausfinden würde, welche Funktion dieser Zylinder und sein Inhalt hatten.
    Was auch geschehen war – die Wiedererweckung hatte keine Gestalten hervorgebracht, die aus zerbrechlichem, nebelhaftem Ektoplasma bestanden.
    Alles, was er fühlte, waren Fleisch und Knochen.
    Obwohl er sich immer noch ein wenig der Realität entrückt fühlte und sich vorkam, gerade vom Ende der Welt zurückgekehrt zu sein, fiel der Schock langsam von ihm ab.
    Er verspürte Durst. Es würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als zu diesem Fluß hinunterzugehen und aus ihm zu trinken. Hoffentlich war er nicht vergiftet. Der Gedanke amüsierte ihn plötzlich und ließ ihn trocken grinsen.
    Er strich sich über die Oberlippe, und seine Finger trafen auf nichts als nackte Haut. Erst jetzt erinnerte er sich daran, daß auch sein Schnauzbart nicht mehr existierte. Oh, tatsächlich, er hatte gehofft, daß das Flußwasser nicht verseucht sei. Welch komischer Gedanke! Warum sollte jemand die Toten wieder zum Leben erwecken, bloß um sie anschließend erneut sterben zu lassen? Dennoch blieb er lange Zeit unter dem Baum stehen. Der Gedanke, sich durch die hysterisch schwätzende Menge einen Weg zum Fluß zurück zu erkämpfen, erfüllte ihn mit unguten Erinnerungen. An diesem Ort, abseits der schluchzenden Meute, fühlte er sich vom größten Teil des Entsetzens und der Panik, die ihn – gleich den anderen – überspült hatten, seltsam befreit.
    Ginge er jetzt zurück, setzte er sein Seelenleben
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