Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
Frühstück fand eine Zeremonie statt, die jede Woche ohne Fehl abgehalten wurde.
    Zuerst wurde die Flagge gehißt. Schneeball hatte in der Geschirrkammer ein altes grünes Tischtuch von Mrs. Jones gefunden und darauf mit weißer Farbe einen Huf und ein Horn gemalt. Und diese Flagge wurde jeden Sonntagmorgen an dem Fahnenmast im Farmhausgarten aufgezogen. Die Flagge sei grün, so erklärte Schneeball, um die grünen Fluren Englands zu versinnbildlichen, wohingegen Huf und Horn die zukünftige Republik der Tiere bedeuteten, die entstehen würde, wenn die menschliche Rasse endgültig besiegt worden wäre. Nach dem Hissen der Flagge strömten alle Tiere in die große Scheune zu einer Generalversammlung, die als das ›Treffen‹ bekannt war.
    Hier wurde die Arbeit für die kommende Woche geplant, wurden Resolutionen eingebracht und debattiert. Immer waren
    -28-

    es die Schweine, die die Resolutionen einbrachten. Die anderen Tiere wußten zwar, wie man abstimmte, doch eigene
    Resolutionen fielen ihnen nie ein. In den Debatten waren Schneeball und Napoleon bei weitem die aktivsten. Doch ließ sich dabei bemerken, daß die beiden nie einer Meinung waren: gleichgültig welchen Vorschlag der eine machte, der andere wandte sich mit Sicherheit dagegen. Selbst als beschlossen wurde - ein Beschluß, gegen den eigentlich niemand etwas einwenden konnte - , eine kleine Koppel hinter dem Obstgarten als Ruheheim für Tiere zu reservieren, die aus dem Arbeitsalter heraus waren, gab es eine stürmische Debatte über das korrekte Pensionsalter für jede Tierklasse. Das Treffen endete stets mit dem Absingen von ›Tiere Englands‹, und der Nachmittag gehörte der Erholung.
    Die Schweine hatten ihr Hauptquartier in der Geschirrkammer aufgeschlagen. Hier erlernten sie abends aus Büchern, die sie aus dem Farmhaus geholt hatten, die Schmiedekunst, das Schreinerhandwerk und andere nötige Fertigkeiten. Schneeball beschäftigte sich auch damit, die anderen Tiere in sogenannten
    ›Tierkomitees‹ zu organisieren. Hierin war er unermüdlich. Er schuf das ›Eierproduktions-Komitee‹ für die Hennen, die
    ›Sauberschwanz-Liga‹ für die Kühe, das ›Reedukationskomitee für Wilde Genossen‹ (dessen Ziel es war, die Ratten und Kaninchen zu zähmen), die ›Weißere-Wolle-Bewegung‹ für die Schafe, sowie verschiedene andere, und richtete nebenher noch Klassen ein, in denen Lesen und Schreiben gelehrt wurde. Im ganzen waren diese Projekte eine Riesenpleite. Der Versuch, die wilden Tiere zu zähmen, brach, zum Beispiel, beinahe augenblicklich wieder zusammen. Sie benahmen sich weiterhin wie zuvor, und behandelte man sie mit Großmut, so nutzten sie diese schlicht und einfach nur aus. Die Katze trat dem
    ›Reedukationskomitee‹ bei
    und war darin einige Tage lang sehr aktiv. Man sah sie eines Tages auf dem Dach sitzen und zu einigen Sperlingen sprechen,
    -29-

    die sich außerhalb ihrer Krallenweite befanden. Sie erzählte ihnen, daß alle Tiere jetzt Genossen seien und daß sich jeder Sperling, der nur Lust dazu verspüre, auf ihrer Pfo te niederlassen könne; doch die Sperlinge blieben auf Abstand.
    Die Lese- und Schreibklassen hingegen waren ein voller Erfolg. Bis zum Herbst war beinahe jedes Tier auf der Farm in einem gewissen Grade gebildet.
    Was die Schweine betraf, so konnten sie schon perfekt lesen und schreiben. Die Hunde lernten recht gut lesen, interessierten sich aber ausschließlich für die Lektüre der Sieben Gebote.
    Muriel, die Ziege, konnte etwas besser lesen als die Hunde und pflegte den anderen manchmal abends aus den Zeitungsfetzen vorzulesen, die sie auf dem Abfallhaufen fand. Benjamin konnte ebensogut lesen wie jedes Schwein, doch er wandte seine Fähigkeit nie an. So weit er wisse, sagte er, sei nichts lesenswert. Kleeblatt lernte das ganze Alphabet, konnte aber keine Wörter zusammensetzen. Boxer kam nicht über den Buchstaben D hinaus. Er malte A, B, C, D mit seinem großen Huf in den Staub und stand dann da und starrte mit angelegten Ohren die Buchstaben an, schüttelte manchmal seine Stirnlocke und versuchte sich mit aller Macht daran zu erinnern, was als nächstes kam, ohne damit aber jemals Erfolg zu haben. Er lernte freilich auch mehrmals die Buchstaben E, F, G, H, doch wenn er sie endlich konnte, stellte sich immer heraus, daß er A, B, C, D
    vergessen hatte. Zuletzt beschloß er, sich mit den ersten vier Buchstaben zufriedenzugeben, und schrieb sie gewöhnlich ein-oder zweimal täglich hin, um sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher