Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
Napoleon wieder zusammengerufen.
    »Genossen«, sagte Schneeball, »es ist halb sieben, und wir haben einen langen Tag vor uns. Heute beginnen wir mit der Heuernte. Doch zuerst gilt es noch etwas anderes zu erledigen.«
    -22-

    Die Schweine enthüllten jetzt, daß sie sich während der vergangenen drei Monate das Lesen und Schreiben beigebracht hatten, und zwar aus einer alten Fibel, die einst den Kindern von Mr. Jones gehört hatte und anschließend auf dem Misthaufen gelandet war. Napoleon ließ Töpfe mit schwarzer und weißer Farbe herbeischaffen und ging voran hinunter zu dem Gittertor mit den fünf Querstangen, das auf die Hauptstraße führte. Dann klemmte sich Schneeball (denn Schneeball konnte am besten schreiben) einen Pinsel zwischen die beiden Klauen seiner Schweinshaxe, übermalte das Wort HERREN-FARM auf dem obersten Torbalken und schrieb dafür FARM DER TIERE hin.
    So sollte von nun an der Name der Farm lauten. Hierauf gingen sie zu den Farmgebäuden zurück, wo Schneeball und Napoleon nach einer Leiter schickten, die sie an die Rückwand der großen Scheune lehnen ließen. Sie erklärten, daß es den Schweinen im Verlauf ihres dreimonatigen Studiums gelungen sei, die Prinzipien des Animalismus auf Sieben Gebote zu reduzieren.
    Und diese Sieben Gebote würden jetzt an die Wand geschrieben werden; sie würden das unabänderliche Gesetz bilden, nach dem hinfort alle Tiere auf der Farm der Tiere leben müßten. Mit einiger Mühe (denn es fällt einem Schwein nicht leicht, auf einer Leiter zu balancieren) kraxelte Schneeball hoch und ging ans Werk, während ihm einige Sproßen tiefer Schwatzwutz den Farbtopf hielt. Die Gebote wurden in großen, weißen
    Buchstaben an die geteerte Wand geschrieben, so daß man sie aus dreißig Metern Entfernung lesen konnte. Sie lauteten wie folgt:
    Die Sieben Gebote
    1. Alles was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind.
    2. Alles was auf vier Beinen geht oder Flügel hat, ist ein Freund.
    3. Kein Tier soll Kleider tragen.
    4. Kein Tier soll in einem Bett schlafen.
    -23-

    5. Kein Tier soll Alkohol trinken.
    6. Kein Tier soll ein anderes Tier töten.
    7. Alle Tiere sind gleich.
    Es war sehr sauber geschrieben, und abgesehen davon, daß
    ›Fruend‹ statt ›Freund‹ zu lesen war und ein ›s‹ seitenverkehrt, stimmte die Orthographie durchweg. Zum Nutzen der übrigen las es Schneeball laut vor. Alle Tiere nickten völlige Zustimmung, und die schlaueren begannen sogleich, die Gebote auswendig zu lernen.
    »Nun, Genossen«, sagte Schneeball und warf den Malerpinsel hin, »zur Wiese! Ehrensache, daß wir die Ernte schneller einbringen, als es Jones und seine Leute tun könnten.«
    Doch in diesem Augenblick ließen die drei Kühe, die sich schon seit geraumer Zeit unbehaglich gefühlt zu haben schienen, ein lautes Muhen vernehmen. Sie waren seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr gemolken worden, und ihre Euter platzten fast. Nach kurzem Überlegen ließen die Schweine Eimer holen und molken die Kühe mit recht gutem Erfolg, da ihre Haxen für diese Arbeit bestens geeignet waren. Bald schäumte in fünf Eimern sahnige Milch, die von vielen der Tiere mit erheblichem Interesse betrachtet wurde.
    »Was soll mit der vielen Milch geschehen?« fragte eines.
    »Jones mischte manchmal etwas davon in unseren
    Futterbrei«, sagte eine der Hennen.
    »Sorgt euch nicht um die Milch, Genossen!« rief Napoleon und baute sich vor den Eimern auf. »Darum wird sich schon gekümmert werden. Die Ernte ist wichtiger. Genosse Schneeball wird euch anführen. Ich folge in wenigen Minuten. Vorwärts, Genossen! Das Heu wartet.«
    So zogen die Tiere in Scharen zur Wiese, um mit der Ernte zu beginnen, und als sie am Abend zurückkamen, bemerkte man, daß die Milch verschwunden war.
    -24-

    -25-

    KAPITEL III
    Und wie sie sich plackten und schwitzten, um das Heu einzubringen! Doch ihre Mühen wurden belohnt, denn die Ernte war sogar ein noch größerer Erfolg, als sie erhofft hatten.
    Manchesmal war die Arbeit hart; die Geräte waren für Menschen geschaffen worden und nicht für Tiere, und es war ein großer Nachteil, daß kein Tier ein Werkzeug benutzen konnte, zu dessen Gebrauch es sich auf die Hinterbeine hätte stellen müssen. Doch die Schweine waren so gewitzt, daß ihnen zu jeder Schwierigkeit auch immer ein Ausweg einfiel. Was die Pferde betraf, so kannten sie jeden Zoll des Felds und verstanden sich auf das Geschäft des Mähens und Rechens fürwahr weit besser, als Jones und seine Leute es je
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher