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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere
Autoren: George Orwell
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jene sind, die sie offen und bewußt angreifen, sondern auch jene, die sie durch Verbreiten mißverstandener Doktrinen »objektiv«
    gefährden. Anders gesagt, zur Verteidigung der Demokratie gehört die Zerstörung aller gedanklichen Unabhängigkeit.
    Dieses Arguments bediente man sich zum Beispiel, um die russischen Säuberungsaktionen zu rechtfertigen. Sogar der glühendste Russophile wird kaum geglaubt haben, daß alle Opfer aller ihnen zur Last gelegten Dinge schuldig waren: aber dadurch, daß sie ketzerische Meinungen vertraten, schadeten sie dem Regime eben »objektiv«, und deshalb war es ganz in Ordnung, sie nicht nur zu massakrieren, sondern auch noch durch falsche Beschuldigungen zu diskreditieren. Mit demselben Argument wurden die ganz bewußten Lügen in der Linkspresse über die Trotzkisten und die anderen republikanischen Minderheiten im Spanischen Bürgerkrieg gerechtfertigt. Und
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    man bediente sich seiner wieder, um gegen die Habeas-korpus-akte zu kläffen, als Mosley 1943 freigelassen wurde.
    Diese Leute sehen einfach nicht, daß eine Zeit kommen kann, wo die totalitären Methoden, die man unterstützt hat, gegen einen anstatt für einen verwendet werden. Man mache nur eine Gewohnheit daraus, Faschisten ohne Verhandlung einzusperren, und vielleicht bleibt dieser Prozeß nicht bei Faschisten stehen.
    Kurz nachdem der unterdrückte Daily Worker wieder erscheinen durfte, hielt ich an einem Arbeiterkolleg in South London einen Vortrag. Das Publikum bestand aus Intellektuellen der Arbeiter-und Untermittelschicht - das gleiche Publikum, dem man gewöhnlich in den Filialen des Left Book Shop begegnete. Der Vortrag hatte das Thema Pressefreiheit gestreift, und zu meiner Überraschung standen am Schluß etliche Fragesteller auf und wollten von mir wissen: Ob ich denn nicht glaube, daß die Aufhebung des Erscheinungsverbots für den Daily Worker ein großer Fehler sei? Nach dem Wieso befragt, sagten sie, er sei eine Zeitung von zweifelhafter Linientreue und sollte in Kriegszeiten nicht toleriert werden. Und dann fand ich mich dabei, wie ich den Daily Worker verteidigte, der sich mehr als nur einmal besonders große Mühe gegeben hat, mich zu schmähen. Aber wo hatten diese Leute diese wesentlich totalitäre Ansicht gelernt? Ziemlich sicher von den
    Kommunisten selbst!
    Toleranz und Anständigkeit sind in England tiefverwurzelt, aber nicht unzerstörbar, und sie müssen teilweise durch bewußte Anstrengung am Leben erhalten werden. Das Predigen
    totalitärer Doktrinen hat eine Schwächung des Instinkts zur Folge, durch den freie Menschen erkennen, was gefährlich ist und was nicht. Der Fall Mosley illustriert dies. 1940 war es völlig richtig, Mosley zu internieren, gleichgültig, ob er nun irgendein regelrechtes Verbrechen begangen hatte oder nicht.
    Wir kämpften um unser Leben und konnten es einem möglichen Quisling nicht erlauben, frei herumzulaufen. Ihn bis 1943 ohne
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    Verhandlung eingesperrt zu lassen war eine Greueltat. Daß dies allgemein übersehen wurde, war ein schlechtes Zeichen, wenn es auch stimmt, daß die Agitation gegen Mosleys Freilassung zum Teil künstlich und zum Teil eine Rationalisierung anderer Unzufriedenheiten war. Doch wie viel von dem gegenwärtigen Hang zu faschistischen Denkweisen läßt sich auf den »Anti-Faschismus« der vergangenen zehn Jahre und die
    Skrupellosigkeit zurückführen, die er nach sich gezogen hat?
    Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß die augenblickliche Russomanie nur ein Symptom ist für die generelle
    Abschwächung der westlich liberalen Tradition. Hätte das Ministerium dazwischengefunkt und definitiv sein Veto gegen die Publikation dieses Buches eingelegt, würde die Masse der englischen Intelligenz darin nichts Beunruhigendes gesehen haben. Unkritische Loyalität gegenüber der UdSSR ist nun einmal die herrschende Orthodoxie, und wo es um die
    vermutlichen Interessen der UdSSR geht, ist man gewillt, nicht nur Zensur, sondern sogar absichtliche Geschichtsfälschung zu dulden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Beim Tode von John Reed, dem Autor von Ten Days that Shook the World - einem Bericht über die Anfangstage der Russischen Revolution aus allererster Hand - , gelangte das Copyright an dem Buch in die Hände der British Communist Party, der es Reed, glaube ich, testamentarisch vermacht hatte. Einige Jahre später
    veröffentlichten die britischen Kommunisten, nachdem sie die Originalausgabe des Buches so vollständig vernichtet hatten,
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