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Farben der Sehnsucht

Titel: Farben der Sehnsucht
Autoren: Judith McNaugth
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mit einem einzigen Blick dafür sorgen, daß jeder Mann wie angewurzelt stehenblieb und sie wie verzaubert anstarrte.
    »Er ist im Baum hängengeblieben.«
    »Ja, aber Sloan hat ihn heruntergeholt«, unterbrach Emma aufgeregt, indem sie mit ihrem rundlichen kleinen Zeigefinger auf die Baumkrone deutete.
    »Sie ist bis ganz oben hinaufgeklettert«, fügte Kenny hinzu, »und sie hatte gar keine Angst, weil sie nämlich tapfer ist.«
    Sloan hatte den Eindruck, daß sie die Meinung der Kinder etwas korrigieren mußte, wenn sie eines Tages selbst eine gute Mutter sein wollte. »Tapfer zu sein heißt nicht, daß man niemals Angst hat, sondern eher, daß man - obwohl man Angst hat - tut, was man für richtig hält.« Sie schickte ein Lächeln in die Runde. »Tapferkeit ist zum Beispiel, wenn man die Wahrheit sagt, obwohl man dadurch in Schwierigkeiten geraten könnte.«
    Die Ankunft des Clowns Clarence mit seinem Strauß von bunten Luftballons bereitete ihren Ausführungen ein Ende. Die meisten der Kinder verloren ihr Interesse an Sloan und rannten zu ihm, so daß nur Kenny, Emma und Butch zurückblieben. »Danke, daß du meinen Drachen runtergeholt hast«, sagte Kenny mit einem herzerfrischenden Grinsen, das seine Zahnlücke entblößte.
    »Keine Ursache«, erwiderte Sloan und kämpfte erneut den plötzlichen Impuls nieder, ihn mitsamt seinem fleckigen Hemd und seinem verschmierten Gesicht in die Arme zu nehmen und fest an sich zu drücken. Immer noch in eine heftige Diskussion über Sloans Tapferkeit verstrickt, trollte sich das kleine Trio nun langsam von dannen.
    »Miss McMullin hat recht gehabt. Sloan ist eine richtige Heldin«, erklärte Emma.
    »Ja, das ist sie, sie ist wirklich tapfer«, stimmte Kenny bei.
    Butch Ingersoll jedoch fühlte sich berufen, die Lobeshymnen seiner Freunde zu relativieren. »Sie ist vielleicht tapfer für ein Mädchen «, meinte er abschätzig, und erinnerte die amüsierte Sloan damit einmal mehr an Captain Ingersoll.
    Die schüchterne kleine Emma begriff sofort, was er damit sagen wollte. »Mädchen sind genauso tapfer wie Jungen.«
    »Das sind sie nicht! Sie sollten auch keine Polizisten werden. Das ist nämlich Männerarbeit!«
    Emma gab sich durch diese weitere Herabsetzung ihrer Heldin keineswegs geschlagen. »Meine Mami hat gesagt«, entgegnete sie wütend, »daß Sloan Reynolds Polizeichefin werden sollte!«
    »Ach, wirklich?« entgegnete Butch Ingersoll. »Nun, mein Großvater ist Polizeichef, und er sagt, daß sie ihm furchtbar auf die Nerven geht! Er sagt, sie solle heiraten und Kinder kriegen. Dazu sind Mädchen nämlich da!«
    Emma öffnete den Mund, um zu protestieren, aber sie wußte nicht, welches Argument sie noch anführen sollte. »Ich hasse dich, Butch Ingersoll«, rief sie statt dessen und rannte davon, ihre Puppe fest an sich gepreßt - eine überzeugte Feministin mit Tränen in den Augen.
    »Das hättest du nicht sagen sollen«, schalt Kenny den anderen Jungen. »Du hast sie zum Weinen gebracht.«
    »Das ist mir egal«, erwiderte Butch - ein selbstgerechter Despot, wie sein Großvater einer war.
    »Wenn du morgen sehr nett zu ihr bist, vergißt sie vielleicht, was du gesagt hast«, entschied Kenny - ein ebenso kompromißbereiter Politiker wie sein Vater.

2
    Als die Kinder außer Hörweite waren, wandte sich Sloan mit einem verschmitzten Lächeln an Sara. »Bisher konnte ich mich nie entscheiden, ob ich lieber einen Jungen oder ein Mädchen wollte. Jetzt weiß ich es: Ich will auf jeden Fall ein Mädchen.«
    »Als ob du es dir aussuchen könntest«, scherzte Sara, der das Gesprächsthema nicht neu war, da sie sich in letzter Zeit öfter über Sloans Kinderwunsch unterhalten hatten. »Statt dir Gedanken über das Geschlecht deines noch nicht mal gezeugten Kindes zu machen, solltest du vielleicht erst einmal mehr Zeit darauf verwenden, einen passenden Vater und Ehemann zu suchen.«
    Sara lernte ständig neue Männer kennen, und immer wenn sie wieder einmal mit jemand Neuem ausging, erkundigte sie sich geschickt nach seinen Freunden, in der Hoffnung, daß vielleicht jemand für Sloan dabei wäre. Hatte sie dann einen eventuell in Frage kommenden Mann gefunden, setzte sie alles daran, um ihn Sloan vorzustellen. Obwohl ihre Kupplerdienste bisher immer fehlgeschlagen waren, versuchte sie es doch immer wieder. Es war ihr einfach völlig unverständlich, daß Sloan lieber einen Abend allein zu Hause verbrachte als in Gesellschaft eines einigermaßen attraktiven, wenn auch für
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