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Fantasien der Nacht

Fantasien der Nacht

Titel: Fantasien der Nacht
Autoren: MAGGIE SHAYNE , Pößneck GGP Media GmbH
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sie beobachteten, musste er in Erfahrung bringen, warum. Falls St. Claire von seiner Beziehung zu dem Mädchen wusste, bestand die Möglichkeit, dass dies eine höchst raffinierte Falle war.
    Er nahm jeden Gegenstand aus der Tasche und besah ihn sich genauestens, bevor er ihn wieder zurücklegte. In dem kleinen Fach für die Geldscheine fand er eine DPI-Schlüsselkarte, auf der Tamaras Name in so riesigen Lettern auf der Vorderseite stand, dass seine Augen schmerzten.
    „Nein“, flüsterte er.
    Sein Blick wanderte zu ihr, als er die Karte gedankenvoll in die Tasche zurückfallen ließ. Er legte die Handtasche wieder in die Sporttasche und warf jene zurück an die Stelle, wo er sie gefunden hatte. Sein Herz verkrampfte sich, als er sie beobachtete. So wunderschön, so zerbrechlich, in ihrem Haar das Glitzern diamantähnlicher Tropfen, als wären sie auf magische Weise in ihre Mähne eingewoben, während sie im Schein des Vollmonds dahinglitt. War es möglich, dass sie sein Judas war? Ein Verräter im Kleid eines Engels?
    Er richtete seinen Geist mit jeder Unze Kraft, die er aufzubringen vermochte, auf den ihren aus, aber die einzigen Empfindungen, auf die er dabei stieß, waren Freude und Ausgelassenheit. Alles, was er hörte, war Musik, die in ihrem Kopf zunehmend lauter spielte, die Ouvertüre von „Der Schauspieldirektor“. Sie lief in vollkommener Harmonie mit dem beschwingten Stück, bis die Musik schließlich vollends verklang.
    Sie kam zum Stillstand und stand sicher auf dem Eis, ihr Kopf leicht geneigt, als hätte sie ein Geräusch vernommen, das sie nicht recht zuzuordnen vermochte. Sie wandte sich langsam um und drehte sich einmal im Kreis, während ihr Blick über die Eisbahn glitt. Sie hielt inne, als sie ihn entdeckte, obgleich ihm klar war, dass sie ihn in seinen schwarzen Kleidern im Schatten vermutlich gar nicht sehen konnte. Dennoch runzelte sie die Stirn und kam in seine Richtung.
    Lieber Himmel, war es möglich, dass das Band zwischen ihnen so stark war, dass sie seine Gegenwart spüren konnte? Hatte sie gefühlt, wie er ihre Gedanken erkundete? Er wandte sich von ihr ab und wäre verschwunden, wären da nicht die stetig schneller werdenden Laute ihrer Kufen auf dem Eis gewesen und das Knirschen, als sie so nah bei ihm stoppte, dass er die winzigen Eissplitter spürte, die ihre Schlittschuhe gegen seine Beine schleuderten.
    Eric konnte die Hitze spüren, die von ihrem von der Anstrengung erwärmten Körper ausging. Ihr Blick brannte einen Pfad über seinen Rücken, und selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte, wäre er nicht in der Lage gewesen, sie hier zurückzulassen. Es mochte eine Riesendummheit sein, aber Eric konnte nicht anders: Er drehte sich um und sah sie an.
    Sie starrte ihn einen Moment lang mit verwirrter Miene an. Ihre Wangen glühten vor Wärme und Leben. Ihre Nasenspitze war rot. Kleine weiße Atemzüge entwichen ihren offenen Lippen, und tiefer an ihrem Hals pochte ihre Schlagader. Selbst als er sich zwang, den Blick von dem schwachen Pulsieren abzuwenden, spürte er es, so wie auch Beethoven die körperliche Wirkung seiner Musik gespürt haben musste.
    Er war nicht imstande, den Blick von ihren Augen zu wenden. Sie hielten ihn gefangen, als wohnte ihnen dieselbe Macht über andere inne, wie er sie besaß. Er fühlte sich verloren in diesen schwarzen, bodenlosen Pupillen, so riesig, dass sie scheinbar keine Iris besaßen. Mein Gott, dachte er. Sie sieht bereits aus wie eine von uns.
    Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, wie in dem Versuch, die Schneeflocken aus ihrem Haar zu schütteln. „Entschuldigen Sie. Ich dachte, Sie wären …“ Die Worte erstarben auf ihren Lippen, aber Eric wusste es ohnehin. Sie hatte ihn für jemanden gehalten, den sie kannte, jemanden, der ihr nahestand. Er war es.
    „Jemand anders“, beendete er den Satz für sie. „Das passiert mir dauernd. Ich habe so ein Allerweltsgesicht.“ Er durchforstete ihren Verstand und suchte nach Hinweisen darauf, dass sie ihn erkannte. Er fand keine Erinnerung an sich, lediglich eine gewaltige Sehnsucht – ein starkes Verlangen, über das sie sich selbst noch nicht vollends im Klaren war. „Gute Nacht.“ Er nickte knapp und musste sich zwingen, sich von ihr abzuwenden.
    Selbst als er den ersten Schritt tat, hörte er ihre unausgesprochene Bitte so deutlich, als hätte sie sie lauthals herausgeschrien. Bitte, geh nicht!
    Er drehte sich wieder zu ihr um – er konnte einfach nicht anders. Sein
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