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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss
Autoren: Sunil Mann
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Bankkunden ein. Die Hunde wurden in große, auf einer Seite vergitterte Kisten gedrängt und auch eingeladen. Ein düster aussehender Mann war neu dazugekommen und überwachte mit stoischem Gesichtsausdruck die Beladung des Helikopters. Er war bewaffnet, immer wieder blickte er über die Lichtung und suchte den Waldrand mit zusammengekniffenen Augen ab. Auch er war einer der Wächter, wie ich später herausfand, als ich die Männer belauschte. Sie waren sich offensichtlich bewusst, dass sie nicht alle erwischt hatten. Tarik mochten sie für tot halten, aber dass ich noch lebte, wussten sie mit Bestimmtheit. Echt kein schöner Gedanke.
    Als der Helikopter abgeflogen war, überprüfte ich Tariks Zustand, der sich rasant verschlechterte. Er blutete wie ein Schwein, zeitweise verlor er das Bewusstsein. Er röchelte, nur manchmal sagte er ein paar abgehackte Sätze in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich musste ihn so schnell wie möglich zum Wagen schaffen. Mit etwas Glück hatte mein Vater so viel Ehrgefühl und gesunden Menschenverstand übrig, dass er Tarik ins nächste Spital fahren würde. Ich wartete ab, während mein Vater den Esstisch mit den Resten der Zwischenverpflegung abräumte. Jede Minute kam mir endlos vor. Dann endlich betrat er das Haus, der Bärtige blieb mit dem Gewehr im Anschlag vor der Hütte stehen und äugte wachsam umher. Kurz danach kam mein Vater wieder heraus, wischte sich die Hände an der Hose ab und rief ihm etwas zu. Der andere blaffte etwas zurück, stapfte aber doch zum Eingang der Jagdhütte und half meinem Vater, den Tisch hineinzutragen. Ich legte Tariks Arm um meine Schultern, stützte ihn an der Hüfte und schleppte ihn so über die Lichtung. Mehrmals brach ich ein, der Junge war mit einem Mal sehr schwer geworden. Die beiden Männer trugen den Tisch in den Wohnraum, und ich hoffte inständig, dass keiner auf die Idee kam, gerade jetzt aus dem Fenster zu gucken. Ich blieb kurz stehen, um nach Luft zu schnappen, Tarik murmelte etwas im Delirium, dann humpelte ich weiter. Die Strecke erschien mir plötzlich unendlich lang, aber keuchend und wie durch ein Wunder unentdeckt erreichte ich den Offroader. Glücklicherweise war die Heckklappe unverschlossen. Ich hievte Tarik in den Kofferraum, wünschte ihm alles Gute und schloss sie dann leise.«
    »Er hat es nicht geschafft.«
    Philipp sah mich lange an. »Das habe ich mir gedacht. Er sah übel aus, als ich ihn in den Wagen legte.«
    »Seine Leiche wurde in der Limmat gefunden. Er blieb im Abfallfänger des Kraftwerks Letten hängen.«
    »Also hat ihn mein Vater entdeckt und in den Fluss geworfen. Wie edel!« Er verzog angewidert das Gesicht.
    »Vielleicht ist er ja auch schon auf dem Weg nach Zürich gestorben«, warf ich ein.
    Philipp zuckte mit den Schultern. »Was spielt das schon für eine Rolle. Er ist mitschuldig am Tod von drei jungen Albanern. Mindestens. Und wer weiß, wie oft die diese perversen Treffen dort oben schon abgehalten haben.«
    »Das frage ich mich auch. Wie ging’s weiter?«
    »Das Ende ist rasch erzählt. Ich versteckte mich im Schuppen und wartete, bis mein Vater abgefahren war. Rückblickend hätte ich mich natürlich besser auch im Wagen versteckt, doch erstens war da nicht viel Platz neben dem verletzten Tarik, zweitens dachte ich, irgendwie käme ich schon wieder ins Tal. Und drittens lagen da dreihundert Gramm Kokain in der Hütte, die ich nicht einfach so zurücklassen wollte.«
    »Und wenn du mit deinem Vater geredet hättest?«
    »Wie gesagt, steht es mit unserem Verhältnis nicht zum Besten, und ich wusste nicht, ob mich der Wächter nicht einfach wegpusten würde, bevor ich mich zu erkennen geben konnte. Zugetraut hätte ich es ihm. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob mein Vater überhaupt wusste, dass ich auch da oben war. Er stieß ja erst später dazu, als er Seeholzers Hunde mitbrachte. Da versteckten wir uns schon im Wald. Zumindest diejenigen, die noch lebten.« Er schluckte schwer.
    »Der Bärtige beobachtete die Jagdhütte noch eine ganze Weile, bevor er sich verzog. Ich stieg durch ein angelehntes Fenster in die Hütte ein und verbrachte die ganze Woche darin. Im winzig kleinen Keller, wo ich auch Nahrungsvorräte fand. Nur zu duschen getraute ich mich nicht. Ich befürchtete, man hätte das Wasser in den Abflussrohren weitherum gehört.«
    Er roch an sich und rümpfte die Nase. Dann grinste er verlegen. »Nur die letzte Nacht verbrachte ich im Freien, nachdem ich meinen Vater und
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