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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande
Autoren: Tom Sharpe
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mit Romantik zu tun. Ihm war aufgegangen, daß es ohne eine Geburtsurkunde unmöglich sein würde, den Schweinehund unter die Haube zu bringen. Zudem war da immer noch seine uneheliche Geburt zu verheimlichen.
»Ich sehe keinen Grund, warum uns nicht der Kapitän trauen sollte«, sagte er schließlich. Diese Vorstellung entzückte Mrs. Sandicott. Das Verfahren vereinte Schnelligkeit und fehlendeGelegenheit für reifliche Überlegungen mit einer beinahe aristokratischen Exzentrik. Damit konnte sie vor ihren Freundinnen angeben.
»Dann werde ich mit dem Kapitän morgen früh darüber sprechen«, sagte Mr. Flawse, und es war an Mrs. Sandicott, dem jungen Paar die Neuigkeit zu überbringen.
Sie fand die beiden bei zärtlichem Geflüster auf dem Bootsdeck vor. Sie blieb kurz stehen und horchte. Da die zwei so selten in ihrer Gegenwart redeten, war sie neugierig, was sie sich in ihrer Abwesenheit zu sagen hatten. Was sie hörte, war sowohl beruhigend als auch beunruhigend.
»O Lockhart.«
»O Jessica.«
»Du bist so wundervoll.«
»Du auch.«
»Meinst du das im Ernst?«
»Aber natürlich.«
»O Lockhart.«
»O Jessica.«
Unter dem leuchtenden Mond und dem glitzernden Auge Mrs.
Sandicotts nahmen sie sich in die Arme, und Lockhart überlegte, was nun zu tun sei. Die Antwort lieferte Jessica.
»Küß mich, Liebster.«
»Wohin?« fragte Lockhart.
»Hierhin?« sagte Jessica und bot ihm ihre Lippen dar.
»Dorthin?« sagte Lockhart. »Bist du sicher?«
Im Schatten des Rettungsboots erstarrte Mrs. Sandicott. Was sie gerade gehört hatte, aber nicht sehen konnte, war ohne Zweifel ekelhaft. Entweder war ihr künftiger Schwiegersohn geistig minderbemittelt oder ihre Tochter in sexuellen Dingen raffinierter œ und in Mrs. Sandicotts Augen eindeutig pervers œ, als sie sich je hatte träumen lassen. Mrs. Sandicott verfluchte die verdammten Nonnen. Lockharts nächste Bemerkung bestätigte ihre Ängste.
»Ist das nicht ein wenig glitschig?«
»O Liebster, wie romantisch du bist«, sagte Jessica, »ungeheuer romantisch.«
Das ließ sich von Mrs. Sandicott nicht behaupten. Sie tauchte aus dem Schatten auf und näherte sich ihnen. »Das reicht vorerst«, erklärte sie, als die beiden sich voneinander lösten. »Wenn du verheiratet bist, kannst du tun und lassen, was du willst, aber meine Tochter wird auf dem Bootsdeck eines Kreuzfahrtschiffes keine Obszönitäten begehen. Außerdem könnte euch jemand sehen.«
Jessica und Lockhart starrten sie verblüfft an. Jessica ergriff als erste das Wort.
»Wenn wir verheiratet sind? Hast du das wirklich gesagt, Mami?«
»Genau das sagte ich«, sagte Mrs. Sandicott. »Lockharts Großvater und ich haben beschlossen, daß ihr ...«
Sie wurde von Lockhart unterbrochen, der œ eine der ritterlichen Gesten, dank derer er sich Jessicas Herz erobert hatte œ vor seiner zukünftigen Schwiegermutter auf die Knie sank und die Hände nach ihr ausstreckte. Mrs. Sandicott machte eine abrupte Ausweichbewegung. Lockharts Pose war zusammen mit Jessicas kürzlichem Vorschlag mehr, als sie verkraften konnte.
»Faß mich ja nicht an«, kreischte sie auf und wich zurück. Lockhart beeilte sich aufzustehen.
»Ich wollte damit nur ...«, setzte er an, aber Mrs. Sandicott wollte nichts davon hören.
»Vergiß es. Es wird Zeit, daß ihr beide schlafen geht«, sagte sie bestimmt. »Die Hochzeitsvorbereitungen können wir morgen besprechen.«
»O Mami ...«
»Und nenn mich nicht ‹Mami¤«, sagte Mrs. Sandicott. »Nach dem, was ich gerade gehört habe, bin ich mir nicht mehr so sicher, daß ich wirklich deine Mutter bin.«
Sie und Jessica ließen einen verwirrten Lockhart auf dem Bootsdeck zurück. Er würde das schönste Mädchen der Welt heiraten. Einen Moment lang suchte er nach einem Gewehr, das er abfeuern konnte, um sein Glück zu verkünden, fand aber keins. Schließlich löste er eine Schwimmweste von der Reling, schleuderte sie weit ins Meer hinaus und stieß ein Freudengeheul aus. Sodann begab er sich ebenfalls in seine Kabine, ohne zu ahnen, daß er auf der Brücke soeben das Signal »Mann über Bord« ausgelöst hatte und die Schwimmweste im Kielwasser des Schiffes mit leuchtendem Warnsignal wild auf und ab tanzte.
Als die Maschinen volle Kraft zurück liefen und ein Boot zu Wasser gelassen wurde, saß Lockhart auf dem Rand seiner Koje und hörte sich die Anweisungen seines Großvaters an. Er würde Jessica Sandicott heiraten, in Sandicott Crescent, East Pursley, wohnen und eine Arbeit bei Sandicott und Partner
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