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Falsches Spiel: Roman (German Edition)

Falsches Spiel: Roman (German Edition)

Titel: Falsches Spiel: Roman (German Edition)
Autoren: Giorgio Faletti
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kenne.«
    Ganz ruhig hat sie das gesagt und dabei ein wenig die Stimme gesenkt. Diese Worte waren nur für mich bestimmt, für niemanden sonst. Für den Bruchteil einer Sekunde hängt ein Gefühl der Komplizenschaft in der Luft, dieses Gefühl, das sämtliche Rollen aufhebt. Solche Momente halten aber nie lange an.
    »Ich bring dir sofort das Tatar.«
    Rosa spricht jetzt wieder ganz normal, und wir beide sind wieder eine Kellnerin und ein Stammgast in einem Lokal. Sie dreht sich um und geht in Richtung Küche, um die Bestellung zu übermitteln. Ich beobachte ihre zielgerichteten Schritte, die Schritte einer Frau, die ihren Job möglichst gut machen möchte, ob er ihr nun gefällt oder nicht.
    Ich beiße in eines der Grissini und trinke einen Schluck Wasser. Jetzt ärgere ich mich, dass ich die Zeitungen im Wagen gelassen habe. Mit der Lektüre könnte ich mir die Zeit vertreiben, bis das Essen kommt. Andererseits weiß ich längst, was drinsteht, und zwar besser als jeder Journalist. Ich sitze direkt an der Quelle und kenne, soweit das möglich ist, die ganze Wahrheit.
    Selbst wenn sie unbequem ist.
    So bleibe ich also sitzen und starre auf die Tür, hinter der Rosa verschwunden ist.
    Wir sind ein paar Mal miteinander ausgegangen. Ins Kino, Pizza essen, Eis essen, ein Spaziergang im Parco Nencini. Sie hat mir von sich erzählt, von der Trennung von ihrem wohlhabenden Ehemann, der vollkommen unter dem Pantoffel seiner Familie stand, von den Schwierigkeiten, den Sohn alleine großzuziehen, da der Vater nie in Erscheinung trat, vom monatlichen Scheck mal abgesehen, der glücklicherweise immer pünktlich eintraf. Als der Sohn sein Wirtschaftsstudium abschloss, konnte sie ihre Freude und ihren Stolz mit niemandem teilen. Von diesem Moment an schickte sie die monatlichen Schecks an den Absender zurück, bis sie schließlich ausblieben. Jetzt lebt ihr Sohn Lorenzo in London, wo er einen Master in Sportmanagement gemacht hat und sich als Fußball-Agent etablieren will. Mit mütterlichem Stolz erzählte mir Rosa, dass ihr Sohn angefangen habe, seinem Vater das Geld fürs Studium zurückzuzahlen.
    Ich hoffe für ihn und seine Mutter, dass er das schafft.
    Von mir habe ich nicht viel erzählt, und sie hat auch nichts gefragt. Vielleicht ist das, was sie aus unmittelbarer Erfahrung weiß, entscheidender für ihre Meinung über mich als das, was sie so gehört hat. Das Schwierigste im Leben ist es, einen Menschen zu finden, der dich so akzeptiert, wie du bist. Für gewöhnlich begnügen sich die Menschen in ihrer Oberflächlichkeit mit dem, von dem sie glauben, dass du es bist, auch wenn diese Person mit dir oft gar nichts gemein hat.
    Eines Abends haben wir uns nach einem Kinobesuch vor ihrem Haus geküsst.
    Sie roch gut und schmeckte gut, und ich hatte schon lange keine Frau mehr so geküsst. Als wir uns im Halbschatten des Wagens voneinander lösten, glänzten ihre Augen. Vielleicht bedeutete dieser Kuss für sie dasselbe wie für mich, ein Gefühl, das man gefunden, obwohl man es gar nicht gesucht hatte, und das daher umso überraschender war.
    Sie nickte zur Haustür hinüber.
    »Möchtest du mit reinkommen?«
    Ich legte die Hände aufs Lenkrad und starrte vor mich hin. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich antworten konnte. Ich musste an das Danach denken. Daran, wie ich mich fühlen würde, wenn es vorbei wäre. Ich fragte mich, ob sich die Leidenschaft in Zärtlichkeit verwandeln würde oder nur in das dringende Bedürfnis zu fliehen.
    Und fand keine Antwort.
    Daher beschloss ich, lieber gleich zu fliehen.
    »Vielleicht besser nicht.«
    Sie senkte den Kopf und öffnete schweigend ihre Handtasche. Ich hörte das Klirren der Schlüssel, dann das Geräusch, wie die Beifahrertür aufging. Erst in diesem Moment wandte ich ihr wieder den Blick zu.
    »Gute Nacht, Silvano. Es war ein schöner Abend.«
    Das Lächeln war dasselbe wie sonst. Sollte sie enttäuscht gewesen sein, ließ sie es sich nicht anmerken.
    »Für mich auch. Gute Nacht, Rosa.«
    Sie stieg aus, und ich ließ den Motor an. Ich wartete noch, bis sie im Haus verschwunden war und sich hinter der Milchglasscheibe der Eingangstür in eine diffuse Silhouette verwandelt hatte.
    Dann fuhr ich los, doch es gelang mir nicht, meine Ängste zurückzulassen.
    Wir haben uns noch ein paar Mal getroffen, aber es ist nichts mehr passiert, und wir haben auch nicht mehr über die Sache gesprochen. Dafür haben sich zwischen uns ein paar von diesen kleinen Gewohnheiten entwickelt,
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