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Falsches Spiel: Roman (German Edition)

Falsches Spiel: Roman (German Edition)

Titel: Falsches Spiel: Roman (German Edition)
Autoren: Giorgio Faletti
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ist die andere Sache, die ich nicht vergessen soll?«
    »Meine Telefonnummer.«
    Den Bruchteil einer Sekunde später eilt Rosa bereits über den Straßenasphalt zurück. Kurz darauf schließt sich die Restauranttür, und ich bin wieder allein. Um nachzudenken und um zu bereuen, dass ich noch nachdenken kann. Es stimmt nicht, dass nur im Moment des Todes das ganze Leben noch einmal an einem vorüberzieht.
    Wenn man im Gefängnis saß, ist es nie einfach, eine gute Beziehung zu seinem Sohn aufzubauen. Es gibt immer jemanden, der davon weiß und es im rechten Moment mit grausamer Pünktlichkeit herausposaunt. Ständig ist das passiert.
    In der Schule oder vor dem Jugendclub, wo man die ersten Bälle kickt, und meist in Anwesenheit anderer Jungen und Mädchen. Wenn du klein bist, hast du keine andere Bastion als deine Familie, die du repräsentierst und die dich repräsentiert. Bei uns war die Phase, in der der Vater ein Held ist, in Windeseile vorüber. Falls es sie überhaupt je gegeben hat.
    Als Roberto in der Mittelstufe war, habe ich ihn mal von der Schule abgeholt. Auch andere Eltern warteten dort, und als die Kinder aus dem Gebäude gestürmt kamen, glücklich, wieder in Freiheit zu sein, lief jeder zu seinem Vater oder seiner Mutter. Er hingegen blieb stehen, als er mich sah. Dann kam er langsam auf mich zu und schaute sich immer wieder um, als müsste er sich für meine Anwesenheit schämen. Damals wusste er allerdings noch nicht, wie recht er damit hatte.
    »Hallo, Papa.«
    Ich nahm ihm den Schulranzen ab, und wir machten uns auf den Weg.
    »Hallo, Mittelstürmer. Wie ist es gelaufen?«
    Bevor er die Frage beantworten konnte, meldete sich hinter uns eine Stimme zu Wort. Die Stimme eines Kindes.
    »He, Masoero, wo geht’s hin? Nach Hause oder in den Knast?«
    Die Worte schlugen ein wie Pistolenkugeln. Er war verletzt, ich tödlich getroffen. Schweigend gingen wir heim. Seither habe ich ihn nie wieder von der Schule abgeholt.
    Über unserer Beziehung lag immer der Schatten meiner Haftstrafe, der gelegentlich so groß und finster war, dass er sich zu einer wahren Sonnenfinsternis auswuchs. Wir wohnten im selben Haus und redeten miteinander und taten auch sonst alles, was Väter und Söhne für gewöhnlich miteinander tun. Trotzdem haben wir uns nie wirklich wahrgenommen, als wären wir in Zellophan eingewickelt. So viel Mühe wir uns auch gaben, es ist uns nie gelungen, diese Hülle zu zerreißen und uns in die Augen zu schauen.
    Wenn man es recht bedenkt, war nur ich es, der sich Mühe gab. Schließlich war es ja auch meine Schuld.
    Irgendwann hat der Fußball Roberto von zu Hause weggeführt. Nachdem er im Treibhaus der Lokalmannschaft groß geworden war, ist er in Italien herumgezogen und hat in den verschiedensten Trikots gespielt. Immer in der Zweiten Liga, denn er war zwar talentiert, aber nicht so brillant, dass er in der höchsten Liga hätte mitmischen können.
    Angerufen hat er nur selten, und wenn, sprach er nur mit seiner Mutter und beschränkte sich dann darauf, mir Grüße ausrichten zu lassen. Bei Elenas Beerdigung haben wir uns wiedergesehen, aber ihre Abwesenheit wog stärker als unsere Anwesenheit. Im Anschluss ist er sofort wieder gefahren, und eine Weile lang habe ich jeden Tag mit dem Foto auf ihrem Grabstein über ihn gesprochen.
    Ein Jahr, nachdem unsere Mannschaft den Besitzer gewechselt hatte, kehrte er plötzlich zurück. Ich habe mich oft nach dem Grund für diese Entscheidung gefragt und nie eine Antwort gefunden. Zunächst bildete ich mir ein, dass die Zeit gewisse Spannungen gemildert haben würde. Bald wurde mir aber klar, dass Roberto sich einfach für das beste Angebot entschieden hatte.
    Er erwarb ein Haus in Borgo della Seta, einem Wohngebiet mit vielen wichtigen Leuten. Vielleicht um es dem volkstümlichen Viertel und den Kindern aus besseren Familien, mit denen er aufgewachsen war, einmal richtig zu zeigen. Den Sportwagen kaufte er sich möglicherweise aus demselben Grund.
    Wir trafen uns am Spielfeld und sprachen auch miteinander, aber wir wirkten weniger wie Vater und Sohn als wie ein Spieler und ein Magazinverwalter. Eben wie das, was wir faktisch ja auch waren. Ein paar Mal sind wir zusammen essen gegangen, aber Brot und Verlegenheit sind schwer zu verdauen.
    In der Zwischenzeit ist er gewachsen und gereift, zumindest in sportlicher Hinsicht. Die Heimatluft schien Begabungen in ihm zu wecken, die bis dahin im Verborgenen geschlummert hatten. Nach dem Trainerwechsel
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