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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit
Autoren: Walter Mosley
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Nummer.«
    »Was ist mit Sandra Sanderson? Muss ich mir ihretwegen Sorgen machen?«
    »Ich kümmere mich um alles, was mit mir zu tun hat«, sagte er. »Das schließt auch Sanderson und ihre Machenschaften ein.«
    Ich fragte mich, was der Sonderbevollmächtigte plante. Bei dem Gedanken an das mögliche Schicksal von Grant Corman und Sam Strange habe ich vielleicht kurz gezuckt.
    »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Alphonse.
    »Nein«, sagte ich beinahe wehmütig. »Mein Arm tut weh, und ich bin wirklich müde.«
    »Soll Christian Ihnen einen Wagen rufen?«
    »Nein danke. Ich bin mit dem eigenen Auto hier.«
     
    »Stehenbleiben!«, rief irgendjemand.
    Ich war drei Blocks von Rinaldos Büro entfernt auf dem Lower Broadway. Meine Sorgen waren vorüber, also ging ich einfach weiter. Erst als die uniformierten Polizisten mich umringten, erkannte ich, dass ich erneut das Objekt einer größeren Festnahme war.
    »Worum geht’s?«, fragte ich, als sie mich packten und hinter dem Rücken Handschellen anlegten.
    Niemand beantwortete meine Frage. Sie informierten mich über keine Rechte und fragten mich nichts, sondern schoben mich einfach auf die Rückbank eines Streifenwagens und fuhren zum One Police Plaza.
    Ich wurde in einen fensterlosen grauen Raum gebracht, der sogar für eine Vernehmung zu klein war. Dort ließ man mich allein, um darüber nachzudenken, ob Rinaldo seinen Einfluss eingebüßt hatte. Oder ob ich, nachdem der Auftrag erledigt war, ein zu kappendes loses Ende war.
    Weiterhin gefesselt saß ich sehr lange auf dem Aluminiumstuhl – Stunden. Niemand redete mit mir oder bot mir gar ein Glas Wasser oder die Benutzung der Toilette an.
    Ich kam immer mehr zu der Gewissheit, dass Sandra Sanderson veranlasst hatte, mich hierher zu bringen. Und wenn ich als einer von Rinaldos Agenten enttarnt war, dann war Patrick wahrscheinlich wieder auf freiem Fuß.
    Aber ich hatte keine Angst. So lief das Geschäft. Manchmal verlor man.
    Hush würde Katrina und die Kids schützen. Er würde alle möglicherweise wieder auftretenden Probleme zwischen Dimitri und dem Zuhälter klären; und wenn er es nicht tat, würde Twill es bestimmt tun. Katrina würde meine Verpflichtung gegenüber Gordo in Ehren halten.
    Es gab eine Menge unerledigter Dinge in meinem Leben, aber das war auch okay. Wenn ich den Tod oder das Gefängnis vor Augen hatte, musste ich immer daran denken, wie ich als Kind die Ermordung von Präsident Kennedy erlebt hatte. Radio und Fernsehen berichteten rund um die Uhr von der Tragödie. Und eines Nachmittags sah ich dann das Bild eines sehr großen Mannes, der neben der First Lady Jacqueline Kennedy stand.
    »Wer ist dieser Mann?«, fragte ich meinen Vater.
    »Das ist deren Präsident, Sohn.«
    »Nein, Dad. Der Präsident ist tot.«
    »In dem Moment, in dem er gestorben ist, hat der neue Präsident seinen Platz eingenommen.«
    »So schnell?«
    »Niemand ist so wichtig, dass er nicht von einem anderen ersetzt werden kann«, erklärte er mir.
    Ich habe es nie vergessen.
     
    »Aufwachen!«, brüllte irgendjemand, und ich merkte, dass ich eingeschlafen war.
    »Was?«
    »Sie werden eine kleine Unterhaltung führen«, sagte der Mann.
    Er wurde von drei Uniformierten flankiert. In Polizeikreisen nahm man mich ernst. Wenn man einmal ein Monster von einem Mann mit bloßen Händen tötet, vergessen sie es nie.
    »Sie sollten mich vorher zur Toilette gehen lassen, sonst piss ich Ihnen den Boden voll.«
     
    Captain James Charbons Büro lag in einem oberen Stockwerk mit einer fantastischen Aussicht. Durch das Fenster konnte ich über seine rechte Schulter hinweg die Freiheitsstatue sehen.
    Mir war heiß, und ich fühlte mich fiebrig, so dass meine Augen mir Streiche spielten. Aber Charbon hätte ich auch mit geschlossenen Augen herauspicken können. Er benutzte ein spezielles Eau de Toilette, das kaum süße Duftnoten enthielt. Seine Augen waren stahlgrau. Er hatte einen militärischen Haarschnitt, und seine attraktiven Züge wurden durch seine angeborene Grausamkeit verzerrt.
    »Mr. McGill«, sagte er.
    Einer der Männer, die mich hergebracht hatten, drückte mich auf einen Stuhl.
    In dem Büro des guten Captain waren eine Menge Leute versammelt: meine vier Polizisten, eine Frau, die an einer Maschine stenographierte, und ein dicklicher Mann mittleren Alters, der auf einer Ecke des großen Mahagonischreibtischs hockte.
    »Wir haben Sie«, sagte der Captain.
    »Keine Frage. Können Sie meine Arme
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